Wenn in Norwegen Edvard Griegs "Norsk dansk Nr 2" ertönt, laufen die Kinder auf die Straße. Denn die Melodie ist das Erkennungszeichen des Eiswagens, der an Wochenenden durch die Siedlungen fährt. Jeder in Norwegen kann den Ohrwurm mitsummen. Grieg (1843-1907), dessen Geburtstag sich heute, am 15. Juni, zum 175. Mal jährt, hätte das sicher gefallen. Er wollte immer Musik für das Volk komponieren.

In Griegs letztem Wohnhaus in Troldhaugen in Bergen geht es in diesen Tagen geschäftig zu. Zu seinem Geburtstag sollen hier, in Bergen und in Oslo Griegs sämtliche Werke aufgeführt werden. Non-Stop und im Fernsehen übertragen. 30 Stunden Musik kommen da zusammen, denn der Norweger war produktiv.

Schon als Kind wusste Grieg, dass Musik sein Leben ist. Seinen ersten Unterricht bekam er von der Mutter, und die entdeckte schnell, dass ihr Sprössling Talent hat. Stundenlang saß er am Klavier und erforschte die Töne. "Nichts bereitet mir größere Freude als das", sagte er selbst über das Experimentieren mit Akkorden.

Mit 15 Jahren wurde Edvard deshalb zum Studium ans Konservatorium nach Leipzig geschickt und dort mit der europäischen Musiktradition bekannt: Mozart, Beethoven, Mendelssohn, Schumann. "Vor allem der romantische Schumann hatte es ihm angetan", erzählt Sigurd Sverdrup Sandmo, der Direktor des Komponistenhauses Troldhaugen, das dem Bergener Kunstmuseum KODE angeschlossen ist. "Schumann wurde für Grieg zum Vorbild."

Die Sehnsucht der Romantik sprach ihm aus dem Herzen. Grieg wollte Musik komponieren, die den einfachen Menschen gefällt. Trotzdem hatte er große Ambitionen. Zusammen mit seiner Frau, der Sängerin Nina Hagerup, reiste er von einer Stadt zur anderen, traf Peter Tschaikowsky, Johannes Brahms, Franz Liszt und Camille Saint-Saëns. Die beschrieben den charismatischen Norweger als guten und loyalen Freund. "Ein kleiner Mann, der einen ganzen Raum füllen konnte", sagte Tschaikowsky über den 1,52 Meter großen Grieg.

5000 Briefe an seine Freunde, die das Museum in Bergen ausgewertet hat, zeugen von einem leidenschaftlichen und gefühlvollen Menschen. Edvard Grieg gehörte zu den Künstlern, die schon zu Lebzeiten großen Erfolg hatten. Zwar ist der Norweger international vor allem für seine großen Orchesterwerke wie die Vertonung von Ibsens "Peer Gynt", das "Klavier-Konzert in a-Moll" und die "Holberg-Suite" bekannt, seine Popularität aber hat er seinen "kleinen Formaten", wie Sverdrup Sandmo sie nennt, zu verdanken. "Griegs lyrische Stücke können auch von Amateuren gespielt werden, deshalb haben viele Menschen ein persönliches Verhältnis zu ihm." Die Melodie "Morgenstimmung" aus "Peer Gynt" sei das beste Beispiel.

"Grieg sagte einmal: Die großen Komponisten wie Bach und Beethoven haben Kathedralen und große Schlösser gebaut", erzählt der Museumsdirektor, "er selbst aber habe kleine Häuser errichtet, in denen normale Leute leben könnten und ein glückliches Leben hätten."

Zum Bohemien ist Grieg nie geworden, der Mann mit den wirren Haaren und dem Schnurrbart war durch und durch bodenständig. So passt es auch, dass er seine Inspirationen beim Volk selbst holte. Vor allem in den späteren Jahren wanderte er viel in der norwegischen Natur, hörte die alten Volkslieder und lauschte den Geschichten der Bauern. Daraus machte er seine eigenen Stücke und wurde zum Komponisten der Nation. Die Nation - Norwegen -, sie war es, die Grieg antrieb.

"Grieg sagte einmal", so Sverdrup Sandmo weiter, "er sei froh, dabei gewesen zu sein, als Norwegen 1905 endlich unabhängig wurde." Aber er sei auch froh gewesen, dass das nicht früher geschehen sei. Denn die Sehnsucht nach Freiheit sei immer seine größte Triebkraft gewesen. Dass seine Wünsche erfüllt werden, war für den Komponisten nicht das Wichtigste im Leben. Denn er wusste selbst, dass Glück nicht von Dauer ist.

Immer wieder erlitt Grieg Rückschläge. Eine Brustfellentzündung, die er sich als junger Mann in Leipzig zugezogen hatte, führte zum Kollaps einer Lunge, was ihn sein Leben lang plagte. Dass ihre einzige Tochter mit nur zwei Jahren starb, führte dazu, dass die Ehe eher zu einem professionelles Verhältnis wurde. Auch die viele Reiserei, die Rastlosigkeit, kostete ihn Kräfte und versetzte ihn in depressive Stimmungen. Erst mit dem Umzug nach Troldhaugen 1886 kam das Paar zur Ruhe und schlug erstmals Wurzeln. Bis zum Schluss. Da am Seeufer, wo die Sonne vor dem Untergehen ihre letzen Strahlen hinwirft, liegen Edvard und Nina Grieg begraben.