Dabei gibt sich die Inszenierung (Regie: Hermann Schneider, Bühne: Bernd Franke, Kostüme: Irina Bartels) alle Mühe. Der optische Eindruck ist bunt, ideenreich und lebhaft, und die musikalische Seite des Abends ohne Makel. Das Linzer Landestheater hat für die Produktion des auf Thomas Manns Novelle "Der Tod in Venedig" basierenden Werks die Zusammenarbeit mit den Opernhäusern in Nizza und Bonn gesucht, wo diese Inszenierung bereits gespielt wurde oder demnächst angesetzt sein wird.

Im Mittelpunkt des Geschehens steht der in einer tiefen Schaffenskrise stehende Dichter Aschenbach, der schließlich in Venedig auf andere Gedanken zu kommen hofft. Die stellen sich auch prompt ein, als er den "schönen Knaben" Tadzio kennenlernt. Aber was ist das für ein Opernstoff, in dem die beiden Hauptdarsteller kein einziges Wort miteinander wechseln, in dem Frauenstimmen nur in kleinen Nebenrollen zu hören sind? Die weitgehend undramatische Handlung der Oper erhält aber durch Brittens Besetzung des "sprachlosen" Knaben Tadzio mit einem Tänzer einen ungewöhnlichen Effekt. Als dritte Hauptrolle sorgt die Figur des "Reisenden" - die in sieben weitere kleine Rollen schlüpft - für Tempo und Witz und lässt dabei Anklänge an Mephisto erkennen.

Hausherr Hermann Schneider bringt in seiner Regie Leben auf der Bühne, wofür auch die zahlreichen kleinen, einer Reihe von Chorsolisten anvertrauten Rollen sorgen. Der Chor des Landestheaters zeigt sich überhaupt von seiner besten Seite. Die Partie des Dichters Aschenbach hat sich Hans Schöpflin als Gast, wie schon zuvor in Nizza, auch in Linz darstellerisch souverän zu eigen gemacht. Auch stimmlich weiß er den rezitativischen Charakter der Rolle perfekt zu gestalten. "Hausbariton" Martin Achrainer liefert als "Reisender" und in den anderen kleinen Partien neben seiner sängerischen Qualität auch darstellerisch Charakterstudien, die in Erinnerung bleiben. Als Tadzio hat Jonatan Salgado Romero zwar zu schweigen, besitzt aber tänzerisch die rollentypische Ausstrahlung. Zusammen mit Mitgliedern die Linzer Tanzakademie zeigt er, dass man auch ohne Worte viel auszudrücken kann (Choreografie: Ivan Alboresi).

Geschickt wechselt die Bühne von Aschenbachs Arbeitszimmer (das auch jenes von Textautor Thomas Mann gewesen sein mag) ins venezianische Milieu, inklusive eines angedeuteten Kanals. Erleichtert nimmt man zu Kenntnis, dass Bühne und Kostüme nicht vergegenwärtigt wurden, sondern in der Zeit um 1900 verblieben.

Brittens Musik ist auch in diesem seinem letzten Werk voller "Farben", mit verursacht durch ein breites Schlagwerk-Instrumentarium, und schwelgt besonders in den Zwischenspielen, wie man es vom Komponisten kennt. Unter der routinierten musikalischen Leitung von Roland Böer (auch er war für die Oper schon in Nizza im Einsatz und wird es auch in Bonn sein), bewies das Bruckner Orchester Linz einmal mehr seine hohe Qualität und wurde schlussendlich zusammen mit den Sängern und Tänzern lautstark beklatscht.