Kämpfen oder nicht kämpfen? Das ist hier nicht die Frage. Zumindest Prinz Amleth stellt sie sich in der epischen Rache-Saga „The Northman“ nicht wirklich. Der Wikingerfilm ist eine blutige Ur-Variante des nordischen Hamlet-Mythos für das große Kino –und die lang erwartete dritte Regiearbeit von Robert Eggers. Neben Haupt-Wikinger Amleth (muskulös: Alexander Skarsgård) spielen Figuren namens König Aurvandil „Kriegs-Rabe“ (Ethan Hawke), Onkel Fjölnir „der Bruderlose“ (Claes Bang) sowie Hofnarr und Schamane Heimir (Willem Dafoe) die archetyischen Rollen.

Im gesamten langhaarigen Ensemble gibt es, abgesehen von einer namenlosen Seherin (Mini-Rolle für Björk in ihrem ersten Schauspiel-Auftritt seit Langem), nur zwei Nebenrollen für Frauen: Mutter und Königin Gudrún (Nicole Kidman mit übertriebenem Akzent), und Sklavin Olga aus dem „Land der Rus“ (Anya Taylor-Joy), die Amleth einen „weiblichen“ Ausweg aus dem Rache-Reigen anbietet. Während in großen Referenz-Serien wie „Vikings“ oder „Game of Thrones“ durchaus Kämpferinnen und komplexe Frauenrollen Platz hatten, ist „The Northman“ ein anachronistischer Männerfilm. Die ungeschönte, atavistische Gewalt ist dabei ebenso historisch wie inhaltlich passend – und weit entfernt, ein Kommentar zu toxischer Männlichkeit zu sein.

„The Northman“ will kein ironisch-intelligenter Zeitgeist-Film, sondern konsequentes Action-Epos sein. Anders als in Eggers’ herrlichem Kammerspiel „The Lighthouse“ bleiben dabei aber leider der Humor und die Überraschung auf der Strecke. Dass mythologisches Genrekino nicht vorhersehbar sein muss, haben allerdings zuletzt die Artus-Sage „The Green Knight“ oder der Folk-Horror „Midsommar“ bewiesen. Die nordischen Mythen in Eggers’ ernster Rachegeschichte ziehen ihre simple Kinokraft dagegen lediglich aus der harschen isländischen Naturszenerie und der brutalen Kampf-Kinetik. Kurze Visionen und Träume bringen einen übernatürlich-phantasmagorischen Kontrast.

Ansonsten sind die beeindruckenden Breitwand-Bilder durchwegs erdig-düster. Der Dreck unter den Fingernägeln ist spürbar. Das ist nach den vielen supersauber glänzenden Marvel-Helden eine Leinwand-Wohltat. Die Erzählung ist aber im guten wie im schlechten aus der Zeit gefallen. Das macht „The Northman“ immerhin zu ehrlich-atmosphärischem Bauchkino mit ordentlich Berserker-Kraft, aber auch mit recht wenig Raffinesse und Schmäh. Eine Oscar-Nominierung für die besten Frisuren ist dem Film aber wohl sicher.