RED ROCKET
Bewertung: ****

Simon Rex ist ein ehemaliger Pornodarsteller und damit die ideale Besetzung für sein filmisches Alter Ego Mickey Saber in "Red Rocket". Es ist der neueste Streich von Indie-Filmemacher Sean Baker nach seinen Erfolgen mit "Tangerine" und "Florida Project". Diesmal schickt er den abgehalfterten Pornostar zurück nach Texas zu Ex-Frau Lexi (Bree Elrod), mit der er einst auszog, um sich für die Kameras in L. A. auszuziehen. Doch der ewig-optimistische Hochstapler und sympathische Loser wird daheim in der Provinz nicht etwa demütig, sondern sieht in der 17-jährigen Donut-Verkäuferin Strawberry (Suzanna Son) gleich seine Chance auf ein Comeback. Frisch-frivol und wunderbar frech, erzählt Baker in seiner Comeback-Komödie mit viel Lokalkolorit einiges über amerikanische Selfmade-Träume der Gegenwart. Der bekennende Ulrich-Seidl-Fan Sean Baker liefert damit ein sonnig-witziges Gegenstück zum nebligen Versager-Porträt "Rimini". Texanisch-pornografisch und herrlich-humorvoll! (maw)

WAS WIR SEHEN, WENN WIR ZUM HIMMEL SEHEN
Bewertung: ****

Liebe auf den ersten Blick gilt als umstrittenes Phänomen. Als sich die angehende Medizinerin Lisa und der Hobbyfußballer Giorgi immer wieder über den Weg laufen, scheint dieser seltene Fall einzutreten. Die zwei Turteltäubchen vereinbaren ein Treffen, dem sie mit Sehnsucht entgegenfiebern. Doch dann der Schreck: Am nächsten Tag erwachen beide in fremden Körpern und glauben, einander nicht wiederfinden zu können. Giorgi und Lisa wurden mit einem Fluch belegt.
Regisseur Alexandre Koberidze inszeniert sein neuestes Wunderwerk als poetisches Märchen, in dem sich das Setting der georgischen Stadt Kuitassi zum eigenen Charakter erhebt. Streunende Hunde treffen sich in Bars und Cafés, Filmschaffende suchen nach wahrer Liebe, die Fußball-WM sorgt für Euphorie: Der städtische Trubel wurde in verträumt-lebhaften Bildern festgehalten. Ein bemerkenswertes Kinoexperiment mit einer verspielten und wahrhaft romantischen Note. (pog)

GESCHICHTEN VOM FRANZ
Bewertung: ****


Er ist der Über-Klassiker unter den Kultfiguren: Franz Fröstl, der Wiener Knirps mit dem "Ansaschmäh". Angesiedelt in der Gegenwart, hat sich in der Nöstlinger-Verfilmung nichts verändert: Franz (Jossi Jantschitsch) ist der Kleinste in seiner Klasse. Und seine Stimme piepst, wenn er sich aufregt. Mobbing in Schulen, das ist ein großes Thema, an dem auch "Geschichten vom Franz" nicht vorbeikommt. Kindgerecht und unaufgeregt greift Regisseur Johannes Schmid nach einem Drehbuch von Sarah Wassermair das Gefühl des Nicht-Angenommen-Werdens auf und bricht mit angestaubten Rollenbildern. Ein schnörkelloser Film, der seinem wunderbaren Hauptdarsteller Jossi (Bild Mitte) viel zu verdanken hat. (kf). Eine ausführliche Kritik lesen Sie hier.

EINGESCHLOSSENE GESELLSCHAFT
Bewertung: ***

Der Vater eines Schülers stürmt ins Lehrerzimmer eines Gymnasiums. Mit vorgehaltener Pistole zwingt er die Pädagogen (u. a. Anke Engelke), eine Notenkonferenz über den Sohn abzuhalten: Es fehlt nämlich ein einziger Punkt, um ihn zum Abitur zuzulassen. Als es den Geiseln gelingt, die Polizei zu verständigen, kommt die nicht: Der Polizeibeamte glaubt ihnen nicht. Man kann es ihm nicht verübeln, die Geschichte von Sönke Wortmanns neuer Komödie ist tatsächlich unglaubwürdig. Was nichts daran ändert, dass die Wortduelle zwischen den (natürlich klischeehaft dargestellten) Lehrern dennoch sehr unterhaltsam sind und die vielen Debatten um Bildung, Verantwortung et cetera auf oft witzige Weise spiegeln. (mg)

ALLES IST GUT GEGANGEN
Bewertung: ****

Im berührenden Tochter-Vater-Drama "Alles ist gut gegangen" nach dem autobiografischen Roman von Emmanuèle Bernheim erreicht ihr Spiel eine furiose, seltene Tiefe. Es ist die erste Zusammenarbeit mit dem Filmemacher François Ozon ("Acht Frauen").
Tief verwurzelt im bourgeoisen Milieu von Paris, spielt Sophie Marceau die erfolgreiche Verlegerin Emmanuèle. Ihr Leben: läuft. Bis ihr inzwischen hochbetagter Vater André (André Dussollier) sie mit einem Auftrag aus der Komfortzone katapultiert. Ein Schlaganfall hat den einst so agilen Industriellen an Bett und Rollstuhl gefesselt. So stelle er sich kein Leben vor, erklärt der Familienpatriarch. "Ich will, dass du mir hilfst, es zu beenden." Sein Wunsch ist ihr Befehl. So war es immer. Die Tochter plant also seinen letzten Trip in die Schweiz, wo Sterbehilfe zwar ein Privileg der Bessergestellten, aber nicht illegal ist. (js) Eine ausführliche Kritik lesen Sie hier.

DIE FARBE DES CHAMÄLEONS
Bewertung: ***

Als sich sein bester Freund das Leben nimmt, mutiert Paul zum Klaubruder. Schnappt sich fremde Börsen, Taschen, Rucksäcke und stellt mit ihrem Inhalt Dinge an, die ihre Besitzer aus der Bahn werfen. Auch
Katrin und Anna, denen er im Zuge seiner Raubzüge begegnet. Der Steirer Jürgen Klaubetz entwirft in seinem Regie- und Drehbuchdebüt "Die Farbe des Chamäleons" eine voltenreiche Heldenreise und findet für die Glückssuche seines Protagonisten auch noch rasante und elegische Bilder à gogo. Starke Talentprobe. (ub)

IM JAKOTOP
Bewertung: ***

Der Zeitungsverkäufer auf dem Jakominiplatz, die Empfangsdame im Tröpferlbad, eine Kabarettistin aus der "Schokosiedlung" und die Kaffeehaus-Legende vom Dietrichsteinplatz: Mit spannenden Protagonisten schafft der Grazer Regisseur Markus Mörth ein vielschichtiges Porträt des sechsten Grazer Gemeindebezirks – samt bezaubernden Ecken und unschönen Seiten. (nm) Eine ausführliche Story dazu lesen Sie hier.