Dienstag, 21.03 Uhr. Barbara Eder ruft an, gerade hat sie einen Drehtag hinter sich, der um vier Uhr Früh begann. Aktuell setzt sie für den Streamingdienst Netflix in Budapest die neue Historienserie „The Barbarians“ in Szene: mit großen Schlachten, einem deutschen und einem ungarischen Team und mitunter 300 Statisten mit Schwertern in der Hand. „Manchmal stehe ich am Set und denke mir: ‘Wahnsinn, Barbara! dass du das jetzt machen darfst!’, erzählt sie.

Hintergrund des Plots ist die berühmte Schlacht im Teutoburger Wald. „Gedreht wird auf Englisch und sogar auf Latein“, sagt Eder. Dafür stehen ihr Übersetzer und Historiker zur Seite. „Wir haben gerade ein Dorf gebaut und jedes Kostüm wird extra geschneidert. Das Tolle an historischen Projekten: Man kann eigene Welten und Stimmungen kreieren.

Wo sich Abgründe auftun


Barbara Eder ist eine der erfolgreichsten und eine der viel beschäftigtsten Filmemacherinnen des Landes. Die Absolventin der Filmakademie räumte gleich mit ihrem Debüt „Inside America“ beim Nachwuchsfilmfestival Max Ophüls Preis in Saarbrücken den Jurypreis ab. Schon dort war ihre Handschrift erkennbar: hinzuschauen. Auch dorthin, wo es schmerzt, wo Gewalt tobt, wo sich Abgründe auftun. „Inside America“ porträtiert das von Drogen und Gewalt beherrschte Leben von Jugendlichen in der texanischen Einöde, wo Eder als 17-Jährige ein Austauschjahr verbrachte.

Seitdem gilt die 43-Jährige als Spezialistin für toughe Stoffe – egal ob fürs Kino, Fernsehen (öffentlich-rechtlich und privat) oder nun auch für Streaming-Dienste. Auf ihr Konto gehen acht Episoden der ORF-Serie „CopStories“, der „Landkrimi: Kreuz des Südens“ oder der Kino-Dokumentarfilm „Blick in den Abgrund“, in dem sie die Arbeit von Profilern und forensischen Psychologen skizziert. Für ihren zweiten, furiosen Genre-„Tatort: Her mit der Marie!", erhielt sie 2018 eine Romy.

Der internationale Durchbruch


Mit „Thank You for Bombing“, ihrem vielfach ausgezeichneten letzten episodenhaften Kinofilm über Kriegsberichterstattung wurde sie international bekannter. Seitdem bekommt sie auch viele Angebote aus dem Ausland: „Das freut mich, das eröffnet neue Märkte.

Aber ich bleibe dem österreichischen Humor verfallen und drehe sehr gerne zu Hause.“


Die Produktionsbedingungen bei Netflix würden sich unterscheiden: „Es gibt einen wahnsinnig strikten und auf Zielgruppen zugeschnittenen Plan, eine Marketingstrategie, die schon beim Dreh beginnt“, erzählt die Wienerin. Noch ein Unterschied ist ihr bislang aufgefallen: „Ein bisschen spüre ich das Amerikanische raus“, sagt sie. Und bei den Schlachten werde nicht gespart. „Da spritzt das Blut schon richtig.“


Heute Abend ist indes ihr Polit-Thriller „Wiener Blut“ um 20.15 Uhr auf ORF 2 zu sehen. Ein außergewöhnlicher Fernsehfilm, der voller Korruption, starker Frauenfiguren, Hinterhofmoscheen, Verhaberungen und groteskem Wiener Schmäh steckt. Eder erinnert sich noch an den Moment, als sie das Drehbuch bekommen hat: „Ich hatte gerade sehr viel gedreht und eigentlich überhaupt keine Lust zum Lesen.“ Das änderte sich schnell: „Ich fand die Figuren so erfrischend, die Frauenfiguren so gar nicht klassisch, sondern frech, witzig, modern, manchmal arm, ins Fettnäpfchen tretend“, schwärmt sie.

Nachsatz: „Die Dialoge sind zynisch, auf den Punkt und sehr wienerisch.“ Gedreht wurde an atemberaubenden Locations an der Donau, im Justizpalast, mit Blick auf den Stephansdom und einem Grande Finale am Hauptbahnhof. „Wien, korrupte Politik und Österreich – das passt zusammen“, bilanziert Eder.
„Die Zeiten, in denen man mir Romantikkomödien anbietet, sind vorbei“, sagt sie. Obwohl: „Es wäre schon spannend, weil ich das noch nicht gemacht habe.“ Wetten, die Abgründe hätten auch hier Platz?