Olga Flor habe „den Ehrgeiz, nicht einfach nur zu erzählen, sondern uns etwas mitzuteilen, begreiflich zu machen“, befand Jurorin Daniela Strigl in der Laudatio auf die von ihr vorgeschlagene Autorin.
Bei der Verleihung des Gert-Jonke-Preises im Rahmen einer Matinee Sonntagvormittag im Klagenfurter Theater Halle 11 waren nicht nur die drei Juroren (neben Strigl noch der Literaturkritiker Stefan Gmünder und die Tiroler Germanistin Renate Giacomuzzi), sondern auch einige der sechs nominierten Autorinnen und Autoren anwesend (neben Flor waren Dorothee Elmiger, Heinz D. Heisl, Hanno Millesi, Elias Schneitter, Thomas Stangl im Rennen). Der mit 15.000 Euro dotierte Preis wurde von Landeshauptmann Peter Kaiser und Kulturstadtrat Franz Petritz an die 1968 in Wien geborene Flor übergeben.

Olga Flors tiefschwarze Gesellschaftssatire „Morituri“ erinnert Laudatorin Strigl an Gert Jonkes Debüt „Geometrischer Heimatroman“, mit dem er 1977 den ersten Bachmannpreis gewonnen hatte. Die Jurorin machte in ihrer Rede, die sie augenzwinkernd „Die Geometrie der Tautropfen“ nennt, Lust auf die Lektüre: „In Morituri darf es grell und haarsträubend zugehen.“ Mit „fallbeilschneller Beschleunigung“, „feinem Gespür für Rhythmus und musikalischen Drive“ sei Olga Flors Text, der auch auf der Shortlist zum Österreichischen Buchpreis 2021 stand, „hochtourig komponierte Prosa“.

Die Nähe zur Sprachkunst und Musikalität eines Gert Jonke ist den heuer nominierten Autorinnen und Autoren gemein. Auch die bisherigen Preisträger des alle zwei Jahre alternierend in den Kategorien Prosa, Dramatik und Lyrik vergebenen Literaturpreises zeichnen sich dadurch aus: Alois Hotschnig (2011), Klaus Händl und Friederike Roth (2013), Julian Schutting (2015), Paul Nizon (2017), Ewald Palmetshofer (2019), Ann Cotten (2021). Stimmig war also das Rahmenprogramm des Festaktes, bei dem der Schauspieler Eduard Wildner aus Jonkes Erzählung „Erwachen zum großen Schlafkrieg“ las, begleitet von Laura Vukobratovic auf der Trompete, die das Stück „fumbling and tumbling“ von der mit Jonke befreundeten Komponistin Olga Neuwirth spielte.
Bevor die frischgebackene Jonke-Preisträgerin einen Ausschnitt aus ihrem derzeit entstehenden neuen Roman las, nahm sie sich in ihren Dankesworten die aktuellen politischen Entwicklungen vor. Ob Wirtshausförderung in Niederösterreich, Bundeskanzler-Rede oder „klimapolitische Trotzphase“, ihr Befund ist klar: „Der demokratiepolitische Ast, auf dem wir alle sitzen, wird abgesägt.“

Düster sieht daher die „Vergangenheitserfindungszukunft“ in ihrem Textauszug „Welt fällt“ aus: „Mit einem Mal hatte die Erde eine Beule“, schreibt die Schriftstellerin und studierte Physikerin Olga Flor, die „Unwucht“ hatte „globale Ausmaße“ angenommen. Wie gesagt: „Olga Flor hat den Ehrgeiz, nicht einfach nur zu erzählen, sondern uns etwas begreiflich zu machen.“ Und das macht sie nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern mit bösem Witz und großer Sprachkunst.