Der Kampf geht weiter. Nur der Schlachtruf wird modernisiert. Was einst die „Internationale“ war, ist jetzt die „Emotionale“, wo einst nur die Arbeiter aufwachen und die Signale hören sollten, sollen es jetzt „Verdammte, Verträumte und Verschmierte“ und ganz viele andere Randgruppen tun. Auch die Zielvorstellungen haben sich etwas geändert, das einst allgemein beschworene Menschenrecht ist in viele unterschiedliche Menschenrechte zersplittert. Aus dem proletarischen Internationalismus des in die Jahre gekommenen Evergreens ist ein postmoderner Individualismus geworden: Peter Licht trägt den Aufruf mit getragener, feierlicher Stimme vor, begleitet nur von einem eindringlichen Klavier.

Von Dada bis Gaga

Wenn derart zum letzten Gefecht mobilisiert wird, dann sieht es wahrscheinlich mau aus mit den gesellschaftlichen Folgen. Von wegen „Wir werden siegen!“, wie eines seiner Bücher im Titel frohlockt hatte, weil es dem alten Schlawiner Kapitalismus endlich an den Kragen gehen sollte! Doch der Musiker und Autor Peter Licht mag ein sehr geschätzter Kritiker der Verhältnisse sein, seine Einlassungen zur Lage sind allerdings stets konsequent eingeklemmt zwischen ironischer Banalität und grotesker Komplexität, das am Ende alle aufdringliche Eindeutigkeit nach Luft japst.

Von Dada bis Gaga, Andreas Dorau bis Helge Schneider, Komik bis Kabarett, Poesie bis Anarchie, Realität bis Absurdität erstreckt sich die Fachkompetenz des unterhaltsamen Bedenkenträgers, der die Inhalte so lange beherzt dreht und wendet, bis sie die richtige Form angenommen haben. Wenn bei ihm die Sinnfrage gestellt wird, dann nur in der absoluten Formenvielfalt von Hintersinn, Widersinn, Irrsinn bis Unsinn.

Auch das neue, sechste Album „Wenn wir alle anders sind“ blickt mutig den Tatsachen ins Auge, um sie sich dann auf ganz eigene subversive Weise vorzuknöpfen. Bei „Candy Käsemann“ kommen die Probleme in sehr relaxter, beschwingter Manier daher, mit schmelzendem Soul in der Stimme und lässigen Tautologien in den Aussagen.

Euphorisch jubiliert das Instrumentarium in der Single „Menschen“, die als veritable Indiepop-Hymne ein erschreckendes Dilemma mit lakonischem Witz bilanziert: „Ich hab mich abgemüht mit Menschen / Ich hab versucht sie zu verstehen / Ich hab mit einigen gesprochen / Und manchmal hab ich wen gesehen“. Gute Nachrichten werden im „Kontolied“ als nerdiger Rap verkündet, das darauffolgende „Umentscheidungslied“ als freakiger Minimal Techno beklagt das Durcheinander der Möglichkeiten, gesteht selbstbewusst Fehler ein und findet letztlich zur pragmatischen Lösung, die wie ein Mantra daherkommt.

Lob der Realität


Den Zwang zur optimierten Persönlichkeit bringt das fröhliche „Liebeslied von unten/Optionslied“ auf den Punkt: „Ich liebe dich / Insbesondere die Option auf deine Veränderung“. Veränderungen anderer Art sind bei „Letzte Tote des großen Krieges“ zu beklagen, dem mit viel Sentiment und Autotune in einer fast sechsminütigen Ballade Rechnung getragen wird, von denen anderthalb Minuten ausbrechen in einen irritierenden Noise-Rock-Techno-Marsch. Peter Licht unterläuft nicht nur an dieser Stelle bewusst die Erwartungen. Seine zehn neuen Songs wollen nicht glänzen, sie sollen wirken. Dafür nimmt der Kölner in Kauf, dass es Ecken und Kanten gibt, nicht jede Melodie, nicht jeder Rhythmus, nicht jede Zeile sich devot beim Hörer einschmeichelt. Seine schrägen Pop-Miniaturen atmen die Freiheit des künstlerischen Ausdrucks, wagen sich raus aus der Komfortzone. Sieben Jahre nach dem Album „Das Ende der Beschwerde“ und vier Jahre nach dem Buch „Lob der Realität“ lässt sich Peter Licht nicht von seinem Weg abbringen: der Schwere mit Leichtigkeit zu begegnen.