Die Männer philosophieren und politisieren, die Frauen widmen sich derweil den praktischen Dingen des Lebens und arrangieren Hochzeiten. Es werden mörderische Intrigen gesponnen, Geld und Waffen hin und her geschoben, Idealisten treffen auf Desillusionierte, verrückt Liebende auf Gleichgültige. Paradoxerweise scheint die spätfeudale russische Gesellschaft, die auf der Bühne des Burgtheaters in einen goldfarbenen Kasten ohne Ausgang verfrachtet worden ist, hochnervös, aber dennoch wie gelähmt: gelähmt vor Angst und Unsicherheit vor dem Hintergrund eines erodierenden Gefüges.

Allmählich arrangieren sich die Seelen Dostojewskis wie Trabanten um den charismatisch-rätselhaften Nikolai Stawrogin (Nicholas Ofczarek), der trotz seiner Passivität zur Projektionsfläche für alle möglichen Ideen, revolutionäre Sehnsüchte und Gefühle wird. Ein Brandbeschleuniger.
Die ziel- und endlosen Monologe und Dispute umwölken den Sinn, die gewaltigen Sprechblasen aus Tiefgang, Theorie und Herzensergießung haben der Regisseur Johan Simons und der Textbearbeiter Sebastian Huber mit dem hervorragenden Ensemble aber zu solcher Überzeugungskraft arrangiert, dass man die ersten 90 Minuten wie gefesselt dasitzt. Das Problem: Die Aufführung dauert weit mehr als 200.

Das Platzen einer Hochzeit und alle weiteren Intrigen erzählt Simons ohne Spannung, aber dafür mit Sinn für das Destruktive der Vorgänge. Am Mahlstrom der Worte zerreibt allmählich das Menschliche. Wobei die in wunderliche Kostüme gesteckten Figuren wie denaturierte Versionen ihrer selbst anmuten.

Ofczarek spielt den Stawrogin als manierierten Zweifler, ein massiger Grübler, der wenig tun muss, um die Katastrophen heraufzubeschwören. Jan Bülow ist der kalt-berechnende Revoluzzer ohne Moral Pjotr, Oliver Nägele der hohl-feierliche, faule und überforderte Schöngeist Stepan . Birgit Minichmayr bewegt sich als Lisa durchwegs misstönend im roten Bereich: Die Stimme überschlägt sich immer wieder, wenn die Berserkerin unentwegt die Reitgerte schwingt. Dagna Litzenberger Vinet bringt als Dascha stille Kraft auf die Bühne, während Sarah Viktoria Frick die Körperbehinderung Marja in clowneske Bewegungsvignetten verwandelt. Markus Hering ist der zynische Scherge Liputin, Ernst Allan Hausmann der Eiferer Kirillow, Itay Tiran der mühsame Idealist Schatow und Marcel Heuperman der niederträchtig brutale, halbblöde Lebjadkin. Nur die tatkräftige, sich mit Geld und Reputation an alte Formen klammernde Warwara Stawrogina von Maria Happel ist noch vom alten Schlag, Bürgerin aus Fleisch und Blut, und die am wenigsten stilisierte Figur des ganzen langen Abends.

Am Ende: freundlicher, keinesfalls enthusiastischer Applaus und allgemeine Erschöpfung auf der Bühne und im Saal. Wobei die Anstrengungen des Starensembles und des Regisseurs durchaus fruchten. Denn trotz einiger Mühseligkeiten und Längen ist es eine Bearbeitung, die dem Geist und der Atmosphäre des Romans recht genau entspricht. Aber „Dämonen“, das ist halt kein Theaterstück, sondern immer noch ein Roman, der gegen seine Dramatisierung erheblichen Widerstand leistet.