In der Montagehalle, wo gestern die Spielzeit 2020/21 präsentiert wurde, stehen noch Kulissen zum Musical „Guys and Dolls“, darunter eine Ampel: „Walk/Don’t Walk“. Die Grazer Oper walkt wieder. Die Grazer Oper lockt wieder. Schon seit 4. Juni mit kleinen, feine Happen. Und ab September wieder mit großem Menü.

„Es war eine schmerzhafte Zeit“, sagt Nora Schmid über die erzwungenen Sperrmonate. Aber der Ansporn durch das Publikum, das den Neustart herbeisehnte, und die Leidenschaft im Haus haben dazu geführt, dass die Intendantin „zuversichtlich und zunehmend optimistisch“ in ihre sechste Saison geht. Mit einem Programm, das spannend und ambitioniert zugleich ist.

Den Auftakt macht jene Neuproduktion, die im März als erste der Pandemie zum Opfer fiel: „Die Passagierin“ von Mieczysław Weinberg (1919–1996). Der polnische Jude, dessen Familie von den Nazis getötet wurde, erzählt in dem aufwühlenden Drama von der zufälligen Begegnung einer ehemaligen KZ-Aufseherin mit einer Lagerinsassin auf einer Schiffspassage nach Brasilien.

Bei der Premiere dieser „Hymne an den Menschen“, wie Schostakowitsch die Oper seines Freundes lobte, tritt Roland Kluttig ans Chefpult. Der Deutsche ist ja der Nachfolger von Oksana Lyniv, die übrigens am 26., 27. und 28. Juni noch einen „Strauss zum Abschied“ bindet und auch für zwei Vorstellungen der „Passagierin“ im Dezember wiederkehren wird.

Kluttig zeichnet für noch drei Opernpremieren verantwortlich: An „Die verkaufte Braut“ gehe er „etwas nervös“ heran, gesteht der 51-Jährige, „ist doch Nikolaus Harnoncourt 2011 bei der styriarte in Graz eine maßstabsetzende Produktion gelungen“. Bedřich Smetanas fröhlich-melancholischer Dreiakter ist für den in einer hochmusikalischen Familie aufgewachsenen Dirigenten eine „Kindheitsoper“. Detto Wagners „Fliegender Holländer“, den er mit Sandra Leupold, die als erste Opernregisseurin überhaupt mit dem renommierten Faust-Theaterpreis ausgezeichnet wurde, als geisterhaft-mysteriöses Drama erzählen wird.

Hier Puccinis „Butterfly“ in der Deutung des Holländers Floris Visser mit der finnischen Sopranistin Marjukka Tepponen als Cio-Cio San, dort das immer dunkler werdende Tohuwabohu im Schtetl Anatevka mit Ivan Oreščanin als Milchmann Tevje. Hier Märchenhaftes vom Ballett mit „Dornröschen“ und „Rotkäppchen“, dort Raritäten wie Nino Rotas „Florentiner Hut“ als Grazer Erstaufführung oder Jean Sibelius Oper „Der Sturm“ nach Shakespeare – konzertant, mit den Schauspielgeschwistern Anne und David Bennent...

Für Breite wie für Tiefe ist also in der kommenden Saison wieder gesorgt. Und für Vorsicht auch: Für Termine im September werden Karten noch im schachbrettartigen Sitzplan verkauft, ab Oktober hofft man dann auf Normalbetrieb, dafür können Karten vorerst nur reserviert werden.

Adriana Altaras inzeniert Smetanas "Verkaufte Braut"
Adriana Altaras inzeniert Smetanas "Verkaufte Braut" © Oper Graz/Amac Garbe