Bewerbungen für den Leitungsposten ab der Saison 2020/21 sind an den Stiftungsvorstand der Volkstheater-Privatstiftung zu richten, der auch formal die Bestellung vorzunehmen hat. Nicht die Stadt Wien, sondern der ÖGB sei Eigentümer des Theaters, für dessen Zukunft sie sich so engagiere, erläuterte Kaup-Hasler. Die Jury werde aus Experten und Eigentümervertretern gebildet werden, "ich selber bin nicht in der Jury".

Dennoch hat die Stadträtin, die als ehemalige Dramaturgin und Festivalleiterin selbst Branchenexpertin ist, bereits recht konkrete Vorstellungen für die Zeit nach Intendantin Anna Badora. Das Haus brauche sicher "mehr Luft, um sich zu bewegen", sagte Kaup-Hasler.

Bei ihren Bemühungen für eine bessere finanzielle Dotierung brauche sie aber Einvernehmen mit ihrem Gegenüber (also Kulturminister Gernot Blümel, Anm.) sowie "das Go von oben" (also von Bürgermeister Michael Ludwig und Finanzstadtrat Peter Hanke, Anm.). Sie glaube, das Haus brauche auch künftig "ein Kernensemble", jedoch auch mehr Offenheit: "Ich möchte die Haut des Theaters mehr perforieren." Nichts halte sie vom Volkstheater als Haus für die Freie Szene, viel jedoch von einem "größeren Fluss zwischen Freier Szene, Mittelbühnen und den großen Theatern".

Mit der von Kaup-Hasler selbst moderierten zweiten Podiumsdiskussion in der gut besuchten Roten Bar des Volkstheaters wollte die Stadträtin im "erweiterten öffentlichen Raum" einen Endpunkt einer langen Reihe von Einzelgesprächen setzen, bei denen sie im Café Eiles allen an der Zukunft des Volkstheaters Interessierten zu Verfügung stand. Im Mittelpunkt standen an diesem Nachmittag Überlegungen über das Publikum des Volkstheaters.

Franz Schuh machte sich in einem Impulsreferat Gedanken über die Liebe der Wiener zum Theater und zu den Schauspielern und meinte: "Beim Terminus Volk übe ich Zurückhaltung. Ich folge Brechts Empfehlung, besser von Bevölkerung zu sprechen."

Der Co-Intendant des Berliner Maxim Gorki-Theaters, Jens Hillje, brachte seine Erfahrungen aus Berlin ein, wo sich die Bevölkerung aus einem Drittel Wessis, einem Drittel Ossis und einem Drittel neuen Berlinern mit nicht deutschen Familiennamen zusammensetze. Letztere zahlten zwar ebenfalls für das Kulturangebot mit, bekäme auf den Bühnen aber nicht sie betreffende Geschichten erzählt. Am Gorki habe man versucht, dies zu ändern, und damit erfolgreich neue Publikumsschichten erschlossen: "Wenn du auf der Bühne vorkommst, gehst du auch ins Theater."

Volkstheater-Chefdramaturg Roland Koberg hat Erfahrungen in beiden Städten. Sein Fazit: "Der Hauptunterschied ist: Das Wiener Publikum mag keine Konzepte." Diese werden allerdings von jenen "profilierten Persönlichkeiten" oder ebensolchen Kollektiven erwartet, die "für ein zeitgenössisches, politisches Theater mit einer unverwechselbaren Handschrift" stehen und sich die Leitung des Hauses zutrauen. Bis 11. Februar können sie sich bewerben. Bis Ende März soll dann die Entscheidung fallen.