Es startet mit einem Rausch. Das Filmfestival Diagonale eröffnet heuer am 21. März mit "Das Tier im Dschungel" von Patric Chiha. Wie in den letzten Jahren auch, feiert der Film seine Uraufführung bei der Berlinale, bevor er im temporär größten Kinosaal des Landes – in der List-Halle – seine Österreichpremiere feiert. Dem Langfilm wird Viktoria Schmids experimentelle, siebenminütige Miniatur "NYC RGB" zur Seite gestellt. Die Diagonale'23 ist die letzte unter der Intendanz von Sebastian Höglinger und Peter Schernhuber, bevor im nächsten Jahr Claudia Slanar und Dominik Kamalzadeh übernehmen.

Schernhuber und Höglinger skizzieren "Das Tier im Dschungel" ("La bête dans la jungle") wie folgt: als "pulsierende Ode an großstädtische Klubkultur, ein Plädoyer für die befreiende Macht des Sich-Verlierens im Rausch des Tanzes, des Lebens, der Liebe". Die beiden schwärmten über den fünften Film von Chiha: "Selten gab sich das österreichische Kino mondäner, waren sich Kino-, Pop- und Klubkultur vor dem Hintergrund der immer wieder einbrechenden kurzen Geschichte des 20. Jahrhunderts näher. Selten hat sich das Kino hierzulande selbstbewusster als Sehnsuchtsmaschine artikuliert."

Der frei nach einer Kurzgeschichte von Henry James gestaltete Spielfilm führt in den Nachtklub einer Großstadt, in dem die beiden Hauptfiguren May (Anaïs Demoustier) und John (Tom Mercier) sich für einen Zeitraum von über 20 Jahren wie in einem Spinnennetz verfangen. Die beiden sind seit ihrer Jugend durch ein mysteriöses Geheimnis aneinandergefesselt und während sie auf dessen Eintreten warten, erbebt in ihren Körpern und um sie herum die Musik von 1979 bis 2001, befinden sich Zeit und Moden ringsum im steten Fluss, hieß es vonseiten der Festivalleitung.

Die Filme des 1975 in Wien geborenen Filmregisseurs und studierten Modedesigners Patric Chiha wurden immer wieder auf internationalen Filmfestivals gezeigt: So etwa die fiebrigen Dokumentarfilme "Brüder der Nacht" (2016) über männliche Sexarbeiter in Wien und "Wenn es Liebe wäre" (2020) über eine Festwochen-Performance von Gisèle Vienne, die nach ihrer Uraufführung bei der Berlinale auch im Wettbewerbsprogramm der Diagonale in Graz liefen.

Der Eröffnungsfilm stammt heuer von Patric Chiha
Der Eröffnungsfilm stammt heuer von Patric Chiha © Elsa Okazaki

New York in Graz

Seit 2014 ist auch Viktoria Schmid regelmäßiger Gast bei der Diagonale in Graz. Am Eröffnungsabend wird ihre neueste Arbeit "NYC RGB" zu sehen sein, die auch Teil des Wettbewerbsprogramms der Diagonale'23 ist. Darin zeige sie einen "durch historische Farbfilmverfahren verschobenen Blick auf New York", wurde am Donnerstag angekündigt.

Viktoria Schmid wurde 1986 in Neuhofen geboren und studierte Filmwissenschaft an der Universität Wien, der Kunstuniversität Linz und der Schule Friedl Kubelka für unabhängigen Film in Wien. Ihre Arbeiten werden international auf Filmfestivals und in Ausstellungen gezeigt, ihre Kurzfilme "It's a dance" (2013) "A proposal to project" (2017), "W O W (Kodak)" (AT 2018), "A proposal to project in scope" (2020) und "KatharinaViktoria 2(021)" (2021) wurden allesamt beim Festival des österreichischen Films in Graz aufgeführt.

"Mit Patric Chiha und Viktoria Schmid führen all jene Themen und Motive über die Leinwand ins Festival, die uns in all den Jahren fasziniert haben: Musik, Pop – und nicht zuletzt das Kino selbst. Zuvorderst: die Sehnsucht und die Liebe", fassten die beiden Festivalleiter das Eröffnungsprogramm zusammen. "Wir freuen uns, den letzten von uns verantworteten Diagonale-Eröffnungsabend mit einem der Welt zugewandten Programm zu begehen." Das komplette Festivalprogramm ist ab 10. März online verfügbar. Der Ticketverkauf startet am 15. März.

Weiters gab die Festivalleitung auch erste Details zu den historischen Programmen der Filmfestspiele in Graz bekannt: Im Special "Finale" feiern alte Bekannte auf der Diagonale fröhliche Urständ' – Filme von Florian Flicker, Michael Glawogger, Jörg Kalt, Käthe Kratz, Marvin Kren, Georg Lhotsky, Sabine Marte, Andreas Prochaska, Viktoria Schmid und Brigitte Weich werden gescreent, darunter "Frankreich wir kommen", "Atemnot" oder "No Name City oder auch "Das finstere Tal" – praktisch Palette von Fußball-WM über Alpenwestern und Zombieapokalypse bis Westernstadt.

Das zweite historische Special wird von "Synema" verantwortet. Mit der Unterstützung von Graz 2003, Kulturhauptstadt Europas, konnte der Nachlass von Bernhard Frankfurter gerettet, gesichert und aufgearbeitet werden. 20 Jahre später gelangt erstmals eine mehrteilige Schau zu Ehren des 1946 in Graz geborenen und 1999 verstorbenen Autors und Filmemachers zur Aufführung. Sämtliche Filmvorführungen der Reihe werden von vertiefenden Gesprächen mit WegbegleiterInnen von Frankfurter umrahmt.

Ein von Frankfurter Ende der 1980er-Jahre realisiertes Anliegen ist heute eines der Kernstücke der Diagonale: der mit 14.500 Euro am höchsten dotierte Drehbuchpreis Österreichs, der Carl-Mayer-Drehbuchpreis, auch gedacht als eine Art soziale Absicherung für Filmschaffende. Gemeinsam mit dem Thomas Pluch Drehbuchpreis wird er wie jedes Jahr am Freitagvormittag des Festivals des österreichischen Films verliehen.