Äußerst kritisch sind die Reaktionen aus Bosnien-Herzegowina, wo die Opferorganisation "Mütter von Srebrenica" die Akademie aufgefordert hat, Handke die Auszeichnung zu entziehen.

"Es ist traurig, dass ein so wichtiger Preis dem Leugner des Genozids in Srebrenica verliehen wurde, wenn alle wissen, was in Srebrenica passiert ist", sagte Organisationsleiterin Munira Subasic laut bosnischen Medien. Damit sei die Botschaft verschickt worden, dass man ungeachtet dessen, was man in der Vergangenheit getan hat, Preise und Auszeichnungen gewinnen könne. "Mit dieser Entscheidung wurden die Mütter von Srebrenica, die ihre Söhne, Männer und Brüder verloren haben, noch einmal verletzt und ins Herz getroffen", betonte sie. Die "Mütter von Srebrenica" riefen das Nobelkomitee auf, sein großes Fehler zu korrigieren und Handke die Auszeichnung zu entziehen.

Gemischte Töne kamen unterdessen aus dem bosnischen Staatspräsidium. Der Vertreter von Bosniaken (Muslimen), Sefik Dzaferovic, kritisierte, dass das Komitee "vollkommen den moralischen Kompass verloren hat". Als "skandalös und beschämend" bezeichnete er die Verleihung des Preises an Handke, der die Kriegsverbrechen in Bosnien-Herzegowina gerechtfertigt und ihre Vollzieher in Schutz genommen habe. "Mit der Verleihung des Nobelpreises an eine solche Person wird ihr unehrenhaftes intellektuelles und politisches Engagement legitimiert", kritisierte Dzaferovic laut der Tageszeitung "Oslobodjenje".

Sein Amtskollege Milorad Dodik, das serbische Mitglied im Staatspräsidium, zeigte sich hingegen begeistert über die Auszeichnung. "Sie und Ihr gesamtes einflussreiches literarisches Werk haben sich den Preis auch verdient", sagte Dodik laut Regionalsender N1. Er bedankte sich bei Handke für seine kompromisslose Haltung gegenüber dem serbischen Volk. Der Nobelpreis sei der Beweis, "dass die Gerechtigkeit niemals vollkommen verloren ist", fügte er hinzu.

Auch die serbische Tageszeitung "Novosti" betonte, dass viele in Serbien den Nobelpreis für Handke als Gerechtigkeit wahrnehmen. "Diesem österreichischen Autor wurden viele Preise verweigert, er war scharfer Kritik von intellektuellen und anderen Eliten aus dem Westen ausgesetzt, ausgerechnet wegen seiner eindeutigen Unterstützung für unser Volk in der Kriegszeit in den 1990er-Jahren und vor allem während und nach der Bombardierung Serbiens sowie beim NATO-Einsatz im Kosovo", schrieb die Zeitung in einem Artikel mit dem Titel: "Gerechtigkeit für Serbien, Nobel für Handke".

Die Zeitung zitierte den serbischen Theaterregisseur Ljubisa Ristic, der Handke als "den größten lebenden Dramatiker und den weltgrößten Schriftsteller überhaupt" bezeichnete. Sein Kollege, Mladen Materic, sieht den Preis "berechtigt". Dieser sei ihm wegen seiner Haltung gegenüber den Serben "verweigert und endlos hinausgeschoben" worden, sagte er. Der bekannte Regisseur Emir Kusturica würdigte die Auszeichnung als eine große Sache für die Literatur und eine gerechte Wahl. "Handke ist ein Mensch, dessen politischer Kampf eine Fortsetzung seiner Literatur war, die sich mit versteckten Inhalten der menschlichen Existenz, mit Outsidern, die der Gerechtigkeit verpflichtet waren und blieben, beschäftigt hat", sagte er zur "Novosti".

Die slowenische Tageszeitung "Delo" betonnte, dass Handke in die Geschichte nicht als die erste politisch kontroverse Wahl eingehen werde. Vor ihm seien das auch Winston Churchill, Alexander Solschenizyn, Czeslaw Milosz, Dario Fo und Orhan Pamuk gewesen, die in ihren Erzählungen die politische Hintergründe aus ihren Ländern darstellten. "Peter Handke ist in dieser Gesellschaft etwas eigenartig, weil er auf verschiedene Weisen, noch am wenigsten literarisch, den politischen Hintergrund des Krieges in Jugoslawien präsentiert hat." Laut "Delo" stellt sich dabei die ewige Frage: "Soll man die nichtkünstlerische Handlungen eines Künstler von seiner Kunst trennen oder nicht?"