In seinem neuen Buch "Rettet die Berge" appelliert Reinhold Messner, der am 17. September seinen 75. Geburtstag feiert, an die Vernunft des Menschen, die Hochgebirgswelt nicht zu einem Vergnügungspark verkommen zu lassen. Als Lösungsansatz erstellte der Alpinist, Autor und Filmregisseur eine "Werte-Charta". Darin fordert er einen Erschließungsstopp in den Hochgebirgsregionen.

"Es geht um das menschliche und das ökologische Maß", betont Messner, der selbst als Extrembergsteiger viele Jahre lang für Schlagzeilen gesorgt hat. Der Südtiroler bewältigte als erster Mensch alle 14 Achttausender ohne Flaschensauerstoff (1970 bis 1986). In zahlreichen Büchern und Vorträgen schildert er eloquent seine Bergabenteuer und Expeditionen in aller Welt. Nun kämpft er für den Schutz der Bergwelt - vor dem wachsenden Massentourismus, der in die Alpen und den Himalaya strömt. Ein Foto im Mai 2019 über eine Menschenschlange im Stau am höchsten Berg der Welt, dem Mount Everest (8.848 m), gibt Zeugnis davon.

Mit touristischen Infrastrukturmaßnahmen, Verbauungen, Straßen- und Seilbahnbau, Action Parks für "Kick"-Erlebnisse, (Sport-)Kletterrouten und Klettersteigen habe der Lärm in die Gebirgswelt Einzug gehalten, gibt Messner zu bedenken. Die erhoffte Ruhe und Freiheit des Städters seien "oben" immer seltener zu finden. "Dort, wo die Schönheit der Berge besonders gerühmt wird, ist die Anziehungskraft am größten, am lukrativsten, am zerstörerischsten. Touristen ruinieren im Gebirge gerade das, was sie alle dort suchen."

Nicht der einzelne Wanderer oder Kletterer sei das Problem. Messner verweist auf "Kolonnen von Weitwanderern, ganze Trupps von Kletterern, Bikern oder Fliegern". Sie stellten in ihren "Ziel- und Modegebieten" eine Dauerbelastung dar, weil ihnen sensible Pfade, Grasnarben und Fauna zum Opfer fallen würden. Inzwischen sei auch der Himalaya "Therapieraum" für Scharen von Touristen geworden. Als er dort noch als Extrembergsteiger unterwegs war, habe er Einsamkeit gefunden.

Eine Lösung des Problems scheine allerdings so schwierig zu sein wie "die Quadratur des Kreises". In dem schmalen Buch kommt der Alpinist zu dem Ergebnis: Die Nutzung der Bergwelt durch eine Millionenschar von Konsumenten müsse dort aufhören, wo der Mensch auf Dauer nie gelebt habe: in den Hochgebirgsregionen. Die dortigen Werte wie Raum, Ruhe, Urnatur würden nur dann erhalten bleiben, wenn sie lediglich für wenige zugänglich sind, "die sich den Mühen und Gefahren aussetzen, hinaufzusteigen, wohin der Mensch nicht gehört". Nur die Entbehrung und die Gefahr könne das Regulativ sein, "um Gebirge zu befrieden".

In flüssigem Erzählstil, manchmal etwas belehrend, schreibt sich der Autor von der Seele, was ihn stört. In pointierten Sätzen offenbart er seine Gedankenwelt und regt zum Nachdenken an. Die Hektik und Aggression, "der Aktionismus zwischen Himmel, Kletterwand und Schluchtgrund" würde zu höherer Luftverschmutzung und Lärmbelästigung führen als in den Ballungszentren, aus denen die Erholungssuchenden in die Gebirge drängten. "Es wird nicht die Öko-Elite sein, die die Berge rettet, sondern der Konsumverweigerer aus Bescheidenheit, der sich begnügt mit einem einfachen Lager auf der Hütte, mit Brot und Käse beim Bergbauern...."

In Regionen oberhalb der Baumgrenze müsse die Naturlandschaft erhalten werden. In Punkt sechs seiner zehn Punkte umfassenden "Werte-Charta" fordert Messner: Ein weiteres Vordringen in die Hochgebirgsregionen dürfe weder mit Infrastrukturen - Seilbahnen aller Art, Straßen - noch mit anderer moderner Technik erleichtert werden. Ein Erschließungsstopp sei hier Pflicht, erklärt er in Punkt fünf. "Bestehende Verbauung bleibt, da viele Arbeitsplätze daran hängen."