Dem Wetterbericht, mit dem Robert Musil seinen Roman „Mann ohne Eigenschaften“ anfangen lässt, gilt stets die erste Frage der mittlerweile 700 Interviews, die der Performance- und Plakatkünstler Julius Deutschbauer in 20 Jahren geführt hat: „Welches Wetter haben wir heute?“ Es folgen Fragen nach einem ungelesenen Buch: „Wie oft haben Sie dieses Buch noch nicht gelesen? Seit wann haben Sie es noch nicht gelesen?“

Mit der so entstandenen Bibliothek der ungelesenen Bücher, von denen er je ein Exemplar ankauft, zieht der gebürtige Kärntner durch die Lande. Ab heute macht er damit in seiner Heimat Station. Passenderweise im Musilhaus stellt Deutschbauer seine originelle „Bestseller-Liste“ aus und lädt zu Lesezirkeln, bei denen gehandarbeitet und gelesen wird. „Dabei können sich Lese- und Strickfaden ganz schön verheddern“, schmunzelt der Künstler, der sich mit seinem aktuellen Plakat einen „Insiderwitz“ erlaubt, erinnert das abgebildete (nicht existente) Musil-Grab doch an das von Ingeborg Bachmann.

Das aktuelle Plakat zeigt Julius Deutschbauer vor dem angeblichen  "Musil-Grab"
Das aktuelle Plakat zeigt Julius Deutschbauer vor dem angeblichen "Musil-Grab" © Deutschbauer

„Ich hab´ nicht gedacht, dass ich das so lange machen werde“, erzählt der 56-Jährige von den Anfängen seiner nomadisierenden Bibliothek. 1997 rief er sie aus Protest gegen das Kappen des Projektes „Bücherturm“ für das Wiener Museumsquartiers ins Leben. Die mittlerweile entstandene Audiothek mit „Ablassgesprächen“ (Deutschbauer) ist die Basis für die Reihung. Nicht nur H. C. Artmann war Musils Hauptwerk „zu fad“ - „Da les´ ich lieber Mickey-Mouse-Hefteln“ – „Der Mann ohne Eigenschaften“ ist Spitzenreiter bei den ungelesenen Büchern. Platz zwei geht an James Joyces „Ulysses“, es folgen die Bibel, Marcel Prousts „Suche nach der verlorenen Zeit“ und ex aequo auf Platz fünf „Mein Kampf“ und „Das Kapital“.

Dass die „Bibliothek der ungelesenen Bücher“ zu ihrem 20. Geburtstag im Musil-Museum Station macht, ist eine stimmige „Parallelaktion“, feiert das Musil-Haus doch heuer ebenfalls sein 20-Jahr-Jubiläum. Und was ist ein ungelesenes Buch von Julius Deutschbauer? „Schlafes Bruder“ von Robert Schneider nennt er nach kurzem Nachdenken, um gleich darauf Friederike Mayröcker zu zitieren: „Ich brauche die vielen Bücher, um jedes ein wenig anzusaugen, es ist eine Köstlichkeit, sich etwas einflüstern zu lassen.“