Nur 15 Jahre nach seinem Tod ist es kaum mehr vorstellbar, wie allgegenwärtig das Werk von Johannes Mario Simmel einmal gewesen ist. Im Fernsehen, im Kino, in den Wohnzimmern. Die typisch designten Bücher (große farbige Lettern auf weißem Einband) gehörten gerade in „bildungsferneren“ Haushalten zum Fixbestandteil wie die Wohnwand, in der sie untergebracht waren.
Aber diese Bücher (mehr als 70 Millionen hat Simmel weltweit verkauft) wurden nicht nur ins Regal gestellt, sie wurden gelesen. Verschlungen. Der am 7. April 1924 in Wien geborene Autor schrieb Kolportageromane. Allein die Titel seiner Bestseller sind aus reißerisch sentimentalem, absatzförderndem Stoff. „Mich wundert, dass ich so fröhlich bin“, „Liebe ist nur ein Wort“, „Und Jimmy ging zum Regenbogen“, „Die Antwort kennt nur der Wind“, „Doch mit den Clowns kamen die Tränen“. Massenware, gewiss. Und doch galt Simmel als Glücksfall der Trivialliteratur. Er war ein Bestseller-Autor mit Anstand. Solidarisch mit den Unterdrückten, gab er Randgruppen eine Stimme, legte den Finger auf die Wunden der Konsumgesellschaft, die ihre Vergangenheit gern unter den Teppich gekehrt hätte. Er thematisierte Alkoholismus, die Vernichtung der Umwelt, Faschismus, Waffenhandel. Simmel näherte sich den Themen mit aufklärerischer Absicht und mit Sinn für das, was Menschen bewegte – und was sie dazu bringt, seine Bücher zu kaufen.
Heinz G. Konsalik war der andere große deutschsprachige Trivialautor der Nachkriegszeit. Konsalik bediente mit seinen Soldaten- und Liebesromanen virtuos die spießbürgerlichen Fantasien der Post-Naziära und machte aus dem fernen, weiten Russland einen merkwürdigen Ort zwischen Faszination und Abscheu. Johannes Mario Simmels Literatur war dagegen geboren aus der Haltung des Nie-Wieder. Er hatte seine halbe Familie an den braunen Terror verloren.
Simmel war keiner, der blind an den Fortschritt glaubte, außer an den, dass alle Menschen gleich behandelt werden sollen. Ein Volksbildner und Moralist mit Schreibmaschine, der sich noch im Alter mit Jörg Haider angelegt hat. 15 Jahre nach seinem Tod ist sein Ruhm deutlich blasser, es bleibt nur die Erinnerung daran, dass Simmels literarisches Gebräu aus Kolportage, Sentimentalität und Anständigkeit ihn zum größten Schriftsteller der echten, „niederen“ Populärkultur gemacht hat, den der deutschsprachige Raum bis heute gesehen hat.