Gerard Mortier, weiland Intendant der Salzburger Festspiele, hatte als Direktor des Teatro Real in Madrid 2013 Peter Sellars und Teodor Currentzis zusammengebracht. Das Projekt, auf das sich der ideensprühende US-Regisseur und das griechisch-russische Dirigentenungestüm einigten, überraschte: „The Indian Queen“ von Henry Purcell. Das letzte Werk des „Orpheus Britannicus“, komponiert 1695, kurz vor seinem Tod im Alter von nur 36 Jahren, ist eine unvollendete Semi-Oper, eine Mischung aus Arien, Chören, Tänzen und gesprochenen Texten, mit nur 50 Minuten Musik und einer recht zusammengezimmerten Handlung, nämlich Kämpfe zwischen Inkas und Azteken betreffend.

Es wären nicht Sellars und Currentzis, hätten sie sich mit purer Exotik begnügt. Der Amerikaner nahm stattdessen als Text ein Destillat aus dem Buch „La niña blanca y los pájaros sin pies“ (Das weiße Mädchen und die Vögel ohne Füße, 1992): Darin schildert die Nicaraguanerin Rosario Aguilar die Gräuel der spanischen Besatzer aus weiblicher Sicht. Und den musikalischen Torso ergänzte man durch weitere Arien, Chöre und Instrumentalstücke Purcells.

Jubelstürme nach dreieinhalb Stunden

Nun hatte „The Indian Queen“ bei den Salzburger Festspielen Premiere und erntete nach dreieinhalb Stunden Jubelstürme. Geschildert wird, wie die Maya-Prinzessin Teculihuatzin dem Spanier Don Pedro de Alvarado als Konkubine angeboten wird, um dessen Kriegslisten auszuspionieren. Was in Liebe und damit in Frieden zu münden scheint, wird letztlich vom Blut der hingemetzelten Mayas weggeschwemmt. Die Geschichte der Conquista bleibt ein Requiem für die Eroberten und ein selbst eingebranntes Schandmal der Eroberer.

Erzählt wurde diese Historie in der Felsenreitschule zwar nur konzertant, dennoch gelang ein hoch emotionales, episches Gesamtkunstwerk, bei dem einem allein schon beim Lied „O Solitude!“ das Herz brach (außer man hat keines). Zeremonienmeister Currentzis feierte jedenfalls mit einem exquisiten Solistenseptett um die bezaubernde Sopranistin Jeanine De Bique aus Trinidad als „Indianerkönigin“, mit der fantastischen Sprecherin Amira Casar, dem Utopia Choir und Orchestra ein Hochamt der Melancholie.

Die Reprise am 2. August ist ausverkauft.
DVD-Tipp: The Indian Queen. Sony (2016, Teatro Real Madrid).
www.salzburgerfestspiele.at

Ausschnitt aus "The Indian Queen":