Die österreichische Regisseurin Jessica Hausner ist mit ihrem sechsten Langfilm "Club Zero" im Wettbewerb der 76. Filmfestspiele Cannes. Damit rittert ihr Streifen über eine extreme Form von Ernährungskult mit 18 Konkurrenten um die Goldene Palme - darunter neue Werke von Wes Anderson, Aki Kaurismäki oder Wim Wenders. Das Programm der diesjährigen Festivalausgabe, die von 16. bis 27. Mai stattfindet, wurde am Donnerstag von Festivalchef Thierry Frémaux präsentiert.
"Die Geschichte ist inspiriert von dem Märchen 'Der Rattenfänger von Hameln'", heißt es vonseiten des Österreichischen Filminstitutes über den Film von Hausner, zu dem die Regisseurin mit Geraldine Bajard das Drehbuch geschrieben hat (Kamera: Martin Gschlacht). "In 'Club Zero' ist es eine Lehrerin, die ihre Schüler*innen soweit manipuliert, dass sie ihr in einen extremen Ernährungskult folgen und sich schließlich dem Einfluss ihrer Eltern vollends entziehen. Die Eltern erkennen ihre Machtlosigkeit zu spät, weil sie kaum Zeit für ihre Kinder haben in einer Gesellschaft, die auf Leistung und Erfolg basiert. Die Tragödie nimmt ihren Lauf." Die Hauptrollen der Produktion von coop99 spielen Mia Wasikowska und Sidse Babett Knudsen.
Hausner, 1972 in Wien als Tochter des bekannten Malers Rudolf Hausner (1914-1995) geboren, studierte Filmregie an der Wiener Filmakademie. 1996 entstand ihr Kurzfilm "Flora", der bei den Filmfestspielen Locarno mit dem "Leopard von morgen" ausgezeichnet wurde. Drei Jahre später gründete sie zusammen mit Barbara Albert, Antonin Svoboda und Martin Gschlacht coop99. "Club Zero" ist Hausners sechstes Antreten in diversen Cannes-Schienen nach "Inter-View" (1999), ihrem Abschlussfilm an der Filmakademie, "Lovely Rita" (2001) - ihr Langfilmdebüt -, "Hotel" (2004), "Amour Fou" (2014) und "Little Joe" (2019), für den Hauptdarstellerin Emily Beecham ausgezeichnet wurde. 2021 war die Regisseurin ebenfalls in Cannes mit dabei - allerdings als Teil der Jury unter dem Vorsitz von Spike Lee.
Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer (Grüne) gratulierte Hausner zur Wettbewerbsteilnahme. "Es ist mir eine besondere Freude, dass damit eine weibliche, mehrfach ausgezeichnete Filmregisseurin und Drehbuchautorin unseres Landes, deren Werke bereits in Cannes präsent waren, nun ins Rennen um die Goldene Palme geht", wünschte sie per Aussendung "viel Erfolg". ORF-Programmdirektorin Stefanie Groiss-Horowitz findet die Nominierung Hausners "genial". "Mit deinem klaren Blick & analytischen Gespür für Menschen & Geschichten gehörst du zu den ganz Großen", richtete sie der Regisseurin via Twitter aus. Der ORF förderte "Club Zero" im Rahmen des Film/Fernsehabkommens.
Unter großen Namen
Hausner befindet sich mit ihrer Nominierung in glanzvoller Gesellschaft. Neben ihr sind etwa der britische Filmemacher Ken Loach mit seinem Film "The Old Oak", der Italiener Marco Bellocchio mit "Rapito", US-Filmemacher Wes Anderson mit "Asteroid City", der Finne Aki Kaurismäki mit "Fallen Leaves" oder "Il sol dell'avvenire" des Italieners Nanni Moretti im Wettbewerb vertreten. Der deutsche Regisseur Wim Wenders ist dieses Jahr gleich mit zwei Filmen vertreten. Neben dem in Japan gedrehten Film "Perfect Days" im Hauptwettbewerb wird zudem sein 3D-Dokumentarfilm "Anselm (Das Rauschen der Zeit)" über den deutschen Künstler Anselm Kiefer in den Special Screenings gezeigt. Die deutsche Schauspielerin Sandra Hüller, die für ihre Rolle in "Toni Erdmann" (2016) zahlreiche Preise gewonnen hatte, wird ebenfalls gleich in zwei Filmen im Wettbewerb vertreten sein - einerseits in der Hauptrolle von Justine Triets "Anatomie d'une chute", anderseits in "Zone of Interest" von Jonathan Glazer. Beide Streifen rittern ebenfalls um die Palme.
Festivalchef Frémaux sprach bezüglich der Filmauswahl von "einer guten Mischung aus jungen Filmemachern und Veteranen". Die neue Festivalpräsidentin Iris Knobloch nannte das Festival "ein gutes Sprungbrett für Filme aus aller Welt". "Die Filme sind zurück in den Kinos", freute sie sich.
Dieses Jahr sind sechs Filmemacherinnen im offiziellen Wettbewerb, eine mehr als im vergangenen Jahr und damit so viele wie nie zuvor. Unter ihnen sind zwei Französinnen, Catherine Breillat und Justine Triet, die Senegalesin Ramata-Toulaye Sy und die Tunesierin Kaouther Ben Hania. Auch der Eröffnungsfilm "Jeanne du Barry" stammt dieses Jahr aus weiblicher Hand, von der Französin Maïwenn.
In Cannes werden auch dieses Jahr wieder zahlreiche Stars erwartet wie die US-Schauspieler Johnny Depp und Leonardo DiCaprio. Depp spielt in Maïwenns Historienfilm "Jeanne du Barry". DiCaprio ist in Martin Scorseses "Killers of the Flower Moon" zu sehen, der am 20. Mai seine Weltpremiere in Cannes feiert. Auch Pedro Almodóvars in Südspanien gedrehter Western "Strange Way of Life" und das neue Indiana-Jones-Abenteuer von Regisseur James Mangold ("Indiana Jones and the dial of destiny") laufen an der Croisette außer Konkurrenz.