Derzeit steht Daniel Jesch in Wien in vier Produktionen („Faust“, „Geschichten aus dem Wienerwald“, „Automatenbüffet“, „Adern“) auf der Bühne und ist Corona bedingt auch häufig als Einspringer gefragt. Außerdem ist der Münchner, der seit dem Jahr 2000 dem Burgtheater-Ensemble angehört, in Drago Jančars „Die Nacht, als ich sie sah“ zu sehen. In der dreisprachigen Produktion geht es um das auf einer wahren Geschichte beruhende Schicksal eines Ehepaares, das gegen Ende des Zweiten Weltkriegs von Tito-Partisanen aus seinem Schloss in Slowenien abgeführt wurde – danach verlieren sich die Spuren.

Eigentlich war unser Gespräch vor dem Wien-Gastspiel geplant, das bedauerlicherweise auf der Kippe steht.
DANIEL JESCH: Ja. Ich werde auch permanent gefragt, wann wir in Wien spielen. Es wäre tragisch, wenn es nicht zustande käme, auch wegen der aktuellen Situation in der Ukraine. Das Stück zeigt doch, dass das Verbindende stärker ist als das, was uns trennt. Trotz unterschiedlicher Kulturen und Sprachen können wir gemeinsam Theater spielen. Ich fühlte mich von Anfang an sehr zugehörig. Auch die Slowenen dachten ich sei einer von ihnen, nicht zuletzt aufgrund meines Namens (Anm.: Jesch/jež = Igel).

Sie sind als Wehrmachtsarzt Dr. Horst Hubmayer der einzige Deutsche inmitten von slowenischen und serbischen Schauspielkollegen. Wie funktioniert das?
Es ist meine erste Erfahrung in einer solchen Produktion. Irgendwann einmal während eines Lockdowns hat mich Martin Kušej angerufen und gefragt, ob ich mich auf ein Abenteuer einlassen möchte. Im Nachhinein war es eine sehr gute Entscheidung. Die meisten meiner Kollegen verstehen Deutsch, einige sprechen es auch, alle sprechen wir Englisch. Und ich hatte zudem den Luxus einer Simultanübersetzerin. Es ist insgesamt eine tolle Erfahrung.

Die Reaktion des Publikums in Maribor und Ljubljana war geradezu enthusiastisch. Welchen Eindruck hatten Sie von der Aufführung in Belgrad?
Ich war zuvor noch nie in Belgrad, was für eine pulsierende, aufregende Stadt. Leider war es nur ein einmaliges Gastspiel, aber das Stück ist sehr gut angenommen worden, wenn auch nicht mit dem frenetischen Applaus wie in Slowenien. Ich habe so etwas noch nie erlebt, bis auf eine einzige Vorstellung gab es in Maribor und Ljubljana nach der Schrecksekunde am Ende immer stehende Ovationen.

Wie geht es Ihnen mit der Figur des Horst Hubmayer?
Mittlerweile habe ich eine sehr innige Beziehung zu ihm. Ich kann verstehen wie er hadert, wie er versucht, ohne sich selbst zu gefährden, durch den Krieg zu kommen. Gleichzeitig wirft das immer wieder die Frage auf, wie man sich selbst in einer solchen Situation verhalten hätte. Ich habe das Buch ja von vorn bis hinten und von hinten bis vorn gelesen und da kommen Szenen vor, wo Horst Hubmayer einschreiten hätte können, aber nur beobachtet hat. Da reibe ich mich dann schon mit der Figur.

Hatten Sie Zeit, den Originalschauplatz, das Schloss Strmol in Slowenien, zu besuchen?
Ja, wir sind mit der Familie im Sommer aus Millstatt hingefahren, haben allerdings nicht gewusst, dass man sich zu Führungen vorher anmelden muss. Wir haben dann das Gelände erkundet, ich habe den Kindern all die Episoden aus dem Roman erzählt. Ich glaube, sie fanden das eher langweilig.

Apropos Millstatt. Sie haben sozusagen einen Fuß in Kärnten.
Meine Schwiegereltern wohnen am Millstätter See und wir sind regelmäßig zu Weihnachten, zu Ostern und mindestens fünf Wochen im Sommer hier. Die Gegend ist fantastisch, ich radle, gehe gerne auf die Berge und jedes Mal, wenn wir hier sind, gehe ich mit den Kindern baden.

Naja. Zu Weihnachten?
Selbstverständlich, zu Silvester und zu Neujahr springen wir ins Wasser.