"Na bumm!“ Es ist wohl die kürzeste Formulierung in Elfriede Jelineks neuem Stück „Schwarzwasser“, gemünzt auf den regierenden Kanzler, den sie zum Gott auf Erden erhöht, um ihn dann nach Strich und Faden zu zerlegen und zu verhöhnen. „Bevor wir es vergessen. Die Sanftmut dieses jungen Gottes ist nur gespielt. Ich sage Ihnen etwas, das müssen Sie erst zusammenbringen, Sanftmut zu spielen!“, heißt es in einer Anfangspassage, die auch von der hastigen Schredderei nach dem Platzen der Koalition handelt.

Sarkastisch führt Jelinek vor Augen, wie sich das einst von den Nazis bei ihrem Aufstieg ebenso gekonnt wie dumpf praktizierte Wechselspiel zwischen Täter- und Opferrolle wiederholt und wie sich der Ruf „Nie wieder!“, gemünzt auf den Faschismus, in ein „Doch schon wieder“ verwandelte. „Opfer sein ist schön. Opfer beginnen, die Lage selbst in die Hand zu nehmen ...“ Und entlarvend zeigt sie, hier kommt Ibiza samt Video ins Spiel, wie sich die Machtberauschten, gestärkt durch „gebranntes Wasser“ und ein „Kraftlackel-Elixier“, darauf berufen, dass alles im „Rahmen der Gesetze“ bleiben solle und müsse. Der Rahmen ist bekanntlich sehr elastisch.

Premiere von "Schwartwasser" ist am Freitag.
Premiere von "Schwartwasser" ist am Freitag. © APA/BURGTHEATER/MATTHIAS HORN

Dieses „Schwarzwasser“ ist teils eine Abrechnung, teils eine bittere und erbitterte Anklage. Denn erneut greift Jelinek eines ihrer zentralen Themen auf, das sich wie ein roter Faden durch viele ihrer Werke zieht. Es ist die Zerstörung der Natur, es ist der hemmungslose und ungenierte Ausverkauf von verbliebenen Naturschönheiten, Bergen und Seen an vorwiegend ausländische Bestbieter, die durchaus den Genuss einer Willkommenskultur auskosten dürfen, es ist der Klimawandel, der auch das geistige Klima miteinbezieht. „Wenn sich die Natur noch zwei, drei Grad für uns weiter erwärmt, werden wir sie nicht wiedererkennen. Dann werden auch wir zwei, drei andere sein, die wir selbst nicht erkennen.“ Na bumm!

Dieses „Schwarzwasser“, dies scheint gewiss zu sein, wird einige hohe Wellen schlagen. Auf die Namensnennung der auftretenden Personen verzichtet Jelinek fast gänzlich, es ist auch nicht erforderlich, sie sind ohnehin bis zur Kenntlichkeit entstellt. Nur der Ibiza-„Joschi“ taucht auf – und eine Tierschutzbeauftragte. Der Rest? Schablonen, Abziehbilder, Heilsbringer, Heil-Bringer. Die 73-jährige Schriftstellerin beruft sich auf antike Dramen, speziell auf die „Bakchen“ von Euripides. Und sie verweist auf René Girard: Der französische Kulturanthropologe schuf mit „Das Heilige und die Gewalt“ einen Gegenwartsklassiker über die Seuche der Gewalt. Passend zum verseuchten „Schwarzwasser“.

Uraufgeführt wird das Stück am Donnerstag am Wiener Akademietheater, in hochkarätiger Besetzung von Caroline Peters bis zu Martin Wuttke. Für die Inszenierung verantwortlich zeichnet Robert Borgmann, der erstmals ein Jelinek-Stück aus der Taufe hebt. Auf seine Deutung des mächtigen Werkes darf man sehr gespannt sein, auch auf seinen „Trick“, den Monolog in Dialoge aufzulösen. „Dieses Virus des Populismus und die Gewalt, die sind in uns drin“, sagt der 39-jährige Deutsche und ergänzt in einem Gespräch mit der „Süddeutschen“: „Jelinek stellt das ,Nie wieder!‘ infrage und geht sogar noch weiter: Das wird in jedem Fall passieren und in einer Form, wo wir uns wirklich den Arsch abbrennen.“