Ein kleines Büchlein, fein säuberlich in Seidenpapier gewickelt, darf für einige Monate aus dem Tresor. Es ist Zeuge einer Sternstunde der Kulturgeschichte: das Regiebuch von Max Reinhardt zum "Jedermann", mit dem vor 100 Jahren die Salzburger Festspiele aus der Taufe gehoben wurden. Heuer wird es Teil der Salzburger Landesausstellung "Großes Welttheater - 100 Jahre Salzburger Festspiele".

Vier Monate vor der Eröffnung durfte die APA einen ersten, imaginären Rundgang durch die Schau machen, geführt von den beiden Kuratoren Margarethe Lasinger und Martin Hochleitner. Berührend die Stücke aus dem Archiv, die extra hervorgeholt wurden und in der Ausstellung zu sehen sein werden: ein Faksimile der handschriftlichen Partitur zu Luigi Nonos "Prometeo" (1993) etwa, Oskar Werners Krone im "Hamlet" 1970, das Modell von Clemens Holzmeisters legendärer Fauststadt in der Felsenreitschule (1930er Jahre) oder ein Telegramm Arturo Toscaninis, in dem er 1938 noch einmal unmissverständlich mitteilt, dass er nach der Machtübernahme der Nazis nicht mehr an den Salzburger Festspielen mitwirkt. Stellvertretend für jedes Jahr darf ein Stück für die Dauer der Ausstellung das Archiv verlassen.

Weltgeschichte im Kleinen

"Wir wollen zeigen, wie dieser Mikrokosmos Festspiele eigentlich diesen Makrokosmos Weltgeschichte im Kleinen widerspiegelt", beschreibt Lasinger, die Chefdramaturgin des Festivals. "Ich finde es immer wieder faszinierend, wie sich diese Kontinuitäten und Brüche eins zu eins in der Festspielgeschichte ablesen lassen. Und natürlich sind diese 100 Jahre Festspielgeschichte auch 100 Jahre österreichische Kulturgeschichte oder dokumentieren auch die Geschichte der Entwicklung des Österreichischen Rundfunks."

Im Archiv des ORF stießen die Ausstellungsmacher auf eine Fülle an Kleinodien. Verpackt werden diese in einen großen Klangschrank. "Das ist ein Archivschrank, wo man 120 Laden öffnen kann, und je nachdem, welche Lade man zieht, hört man dann etwas", so Museumsdirektor Hochleitner: nicht nur Aufnahmen von Festspielkonzerten, sondern etwa auch einen Jedermann-Ruf oder Ausschnitte aus Interviews. "Das werden ganz vielfältige Klänge sein", verspricht Lasinger.

Die Kuratoren (v.l.) Margarethe Lasinger und Martin Hochleitner
Die Kuratoren (v.l.) Margarethe Lasinger und Martin Hochleitner © APA/BARBARA GINDL

Doch der ORF ist nicht der einzige Partner der Landesausstellung. Eng kooperiert wird auch mit dem Jüdischen Museum Wien, mit dem ein Raum zum Thema "Brüche" gestaltet wird, stellvertretend für die biografischen Brüche im Leben von jüdischen Künstlern. Als Beispiel wird das Leben Max Reinhardts herausgegriffen. "Anhand seines Lebenslaufs und seines Wirkens hier in Salzburg und später in Amerika wird dieses Thema (NS Zeit, Anm.) auf eine sehr persönliche, biografische und wohl auch sehr intensive Betrachtungsebene geholt. Es soll sicht- und fühlbar werden, was da passiert ist", beschreibt Lasinger.

Für die Festspiele bedeutete bereits die Tausend-Mark-Sperre 1933 einen großen Umbruch, weil plötzlich Künstler wie Publikum aus Deutschland ausblieben. "Das führte zur Internationalisierung der Salzburger Festspiele. Und gleichzeitig - wenn man sich die Fotos von damals anschaut - haben sich die Künstler alle in der Tracht abbilden lassen. Marlene Dietrich ist extra zum Lanz gelaufen. Also auf der einen Seite die Internationalisierung, auf der anderen Seite diese Inszenierung der heilen Welt, dieser Heimatidylle da in Salzburg. Das war schon durch den Ständestaat durchaus institutionalisiert."

Ein eigener Raum ist den Ideen und Visionen zu Festspielen in Salzburg gewidmet, die schon Ende des 19. Jahrhunderts aufkamen. "Das darf man sich wie ein großes Stimmengewirr vorstellen. Es gab ja in Salzburg und in Wien verschiedene Fraktionen für Festspiele, das wird sich in dem Raum dokumentieren, auch, was es an Ideen für Festspielhäuser gab, die zu Beginn sehr nah am Bayreuther Vorbild waren, etwa das Mozart-Festspielhaus auf dem Mönchsberg 1890", so Festspieldramaturgin und Kuratorin Margarethe Lasinger.

Mit dem Aufbau der Ausstellung wurde Mitte Dezember bereits begonnen. Durch die Einbindung der Max-Gandolph-Bibliothek der Universität, "quasi das Herz der Landesausstellung mit dem Archiv" (Hochleitner), wird es mit 1.800 Quadratmetern die größte Schau in der Geschichte des Museums. Bei den erwarteten Besucherzahlen stapelt der Museumsdirektor tief: "60.000 bis 70.000 wären schön, wenn's mehr werden, freuen wir uns." Dazu muss man wissen, dass jede Festspielkarte gleichzeitig auch als Eintrittskarte für die Ausstellung gilt, und auch viele Programme für Schüler und Lehrlinge geplant sind.