Das, was gesagt wird, kann doch nicht wahr sein, denken wir, doch wen kümmert’s schon, denn es wird wahr, indem es gesagt wird. Was nicht stimmt, stimmt ein, um die anderen niederzustimmen. Das Unsagbare ist wieder ausgesprochen beredt.“
Diesen Denkanstoß stellt Doron Rabinovici dem Polittheater „Alles kann passieren“ nach einer Idee von „Falter“-Chefredakteur Florian Klenk voraus. Heute feiern die zu einem Stück montierten realen Reden europäischer Populisten und Nationalisten wie Matteo Salvini, Victor Orbán, Jaroslaw Aleksander Kaczy(´n)ski oder Heinz-Christian-Strache am Akademietheater ihre Uraufführung.

Was wollen Sie mit diesem Projekt erreichen?
DORON RABINOVICI: Es handelt sich um Reden, die man im Netz finden kann. Es geht darum, sich diese genau anzuhören, sich denen auszusetzen. Nicht in diesen Wohlfühl- und Emotionsevents, sondern sie von großen Schauspielerinnen des Burgtheaters gelesen zu bekommen. Zu merken, dass das nicht nur kleine Sager sind, nicht nur Randerscheinungen, sondern dass das eine richtige sprachliche Bewegung ist, die durch Europa geht – durch die Staatskanzleien.

Was eint denn diese Politiker in ihrer Sprache?
Dass die Sprache, die Europa einst einte, eine war, die die Denunziation und das Völkische bereinigte; eine Sprache, die eine Verhandlung erst ermöglichte – und dass nun dieser Diskurs verlassen wird, um Scharfmacherei zu betreiben, um als Volkstribun bewusst das Trennende vor das Gemeinsame zu stellen. Was diese Reden eint, ist der Bezug auf ein Nationales. Man kann durchaus sagen: die Hetze gegen Brüssel und die Hetze gegen die da oben. Es wird ein Untergang beschworen, wenn man sich nicht dem Retter zuwendet. Hinzu kommt die Diffamierung von unabhängigen, kritischen Medien.


Wie wichtig ist die genaue Betrachtung?
Diese Reden sind teilweise Wohlfühlveranstaltungen und erinnern nicht selten an die Reden der Agitatoren, der Scharfmacher früherer Zeiten. Es geht um ein Gemeinschaftsgefühl. Ich habe sehr viel dazugelernt im Laufe dieser Arbeit.

Nämlich?
Ich war zum Beispiel erstaunt, wie Orbán sich auf die neuen Stars der Weltgemeinschaft bezieht. Damit meint er keine Demokratien. Er greift auf den König zurück, der das mittelalterliche Ungarntum gerettet hat.

Ist es ein Versuch, diese neuen starken Männer mit ihren eigenen Waffen zu schlagen?
Zunächst einmal ist es der Versuch, das, was ist, darzustellen und auf den Punkt zu bringen. Sehr viele Medien, jene Medien, gegen die diese Politiker weniger haben, sind nicht mehr damit beschäftigt. Es gibt einen Rollenwechsel. Früher hat die Kunst provoziert. Jetzt hat sie die Chance, ein freies Feld zu besetzen: das der Dokumentation.