Zum 29. Mal veranstaltet der Verein „Wider die Gewalt“ eine Benefizgala. Der 1990 von Franz Vranitzky gegründete Verein widmet sich dem Kampf gegen Gewalt in der Familie und hat im Lauf der Jahre einen deutlich siebenstelligen Betrag für karitative Zwecke gesammelt. An der heutigen Gala im Wiener Ronacher nehmen unter anderem Semino Rossi, Alfons Haider, Nikolaus Habjan, Lemo, InaRegen und AndreasVitásek teil.

Geehrt wird dabei auch André Heller, die Laudatio stammt vom ehemaligen Kleine-Zeitung-Kulturjournalisten Frido Hütter, der Heller als weise gewordenen „Herold der Liebe und der emotionalen Selbstermächtigung“ loben wird.

Frido Hütters Laudatio auf André Heller im Wortlaut

Und wenn ein Mann einen Mann liebt,
soll er ihn lieben wenn er ihn liebt.
Denn ich will, das es das alles gibt, was es gibt.

Und wenn eine Frau eine Frau liebt,
soll sie sie lieben, wenn sie sie liebt.
Denn ich will, das es das alles gibt, was es gibt.

Unglaubliche 45 Jahre ist es her, dass André Heller dieses Bekenntnis zu Toleranz von Andersartigkeit abseits des moralischen Mainstreams in Gestalt eines Liedes abgegeben hat.

Freilich, damals konnte er auch ganz anders.

Er schreckte beispielsweise nicht davor zurück, einen ihm missliebigen Theaterdirektor als „Personalunion von Ratte und sinkendem Schiff“ zu  adressieren.

Und er stand auch dazu. Dem Magazin Spiegel sagte Heller damals, er sehe sich „als ein aufgeklapptes Rasiermesser im Laden eines jüdischen Barbiers“.  Er meinte das, man muss es heute trauriger Weise hinzufügen, metaphorisch.

Tatsächlich wirkte er als verbales  Skalpell im Fetten dieses Landes, an dem damals nicht nur Peter Handke würgte. Seine Intelligenz und seine Impertinenz gingen nahtlos ineinander. Wahrscheinlich war das damals aus kulturhygienischen Gründen nötig.

Das änderte sich langsam, und es veränderte auch André Heller.

Er wurde auf allergünstigste Art milder, was man von jedem weiser Werdenden erwarten sollte.

Von der misanthropischen Wortmühle Thomas Bernhard (Sigrid Löffler) wird gerne gesagt, er sei ein großer Liebender gewesen.

Nein, ich meine, er war ein humorvoll Hassender der mit seinem humorvollen Hass das Defizit entgangener Liebe kompensierte.

Heller indes war schon früh ein Herold der Liebe, der Zärtlichkeit, der emotionellen Selbstermächigung. Vor allem kluge Frauen erkannten das schnell. Männern verstellte oft ihre maskuline Angst die Sicht darauf.

Aber er blieb aufmerksam und war stets zur Stelle, wenn der persönliche Anstand Erhebung und Widerstand gebot. Jänner 1993 lief auf Betreiben Jörg Haiders und der FPÖ das sogenannte Ausländervolksbegehren an, offiziell: „Österreich zuerst!“ –  America first!  Man kann sagen, dass Haider der Zeit voraus war.

Es waren vor allem Josef Haslinger, Willi Resetarits und eben André Heller, die auf Gegenmaßnahmen sannen. Alsbald stießen Dutzende Citoyens und Künstler mit intaktem Gewissen und auch die eben gegründete NGO SOS Mitmensch dazu.

Am Abend des 23. Jänner 1993 versammelte sich rund eine Viertelmillion Österreicherinnen und Österreicher auf dem Heldenplatz.

Vertreter der Kirchen, Minister und andere mehr hielten flammende Reden gegen Angstmache und Ausgrenzung. Dutzende bekannter Musiker orchestrierten diese bis dato größte Willenskundgebung in der Geschichte der Zweiten Republik.

Da fast alle Teilnehmer brennende Kerzen mit sich trugen – leuchtende Smartphones gab es noch nicht ­ – ging der Abend als Lichtermeer in die Geschichte ein.

Erlauben Sie mir die Meinung, dass man offenbar bald wieder kräftige Lichtzeichen setzen wird müssen. Egal ob mit Kerzen oder Mobiltelefonen.

André Heller weitete seine Neigung zu menschlicher Vielfalt auch auf sein künstlerisches Schaffen aus. Dabei gelang ihm eine glückhafte Verbindung von Poesie und Profit. Für Shows wie „Begnadete Körper“, „Flic Flac“ oder zuletzt „Afrika! Afrika!“ holte er hunderte Akrobaten und Illusionskünstler aus dem Staub der Zirkusarenen oder dem Mief der Varietés auf elegantere Bühnen.

Mit seinem Talent, an sich reguläre Darbietungen verbal und visuell poetisch zu vergolden,  bot er all diesen Künstlern eine Spielfläche, auf der ihnen die verdient ungeteilte Aufmerksamkeit und Bewunderung durch das Publikum vergönnt wurde.

Dass Heller auch eine Art Prometheus des Schönen ist, sei dazugesagt. Seine Feuertheater in Lissabon und sonstwo, seine Phantasieballons über New York und nicht zuletzt seine Gärten, wie in Salo und nun „Anima“ in Marrakesch bereicherten Millionen von Menschen. – Hilde Spiels „träumender Knabe“ hat sich als großer Realisateur seiner Träume erwiesen.

Kitsch und Pathos machen sich oft auch mit Gewaltregimes gemein.

Wahre Schönheit indes hat stets mit Frieden zu tun.

Schönheit, sagt man, liege im Auge des Betrachters

Heller dreht dieses Prinzip um: Er pflanzt Schönheit in die Augen seiner Klientele und damit wohl auch in ihre Seele.

Für all das, mein Lieber, gebührt Dir Dank und immerwährender Respekt, was dieser Preis ja ausdrückt. Bitte bleib der Liebe auf den Fersen. Aber behalte das Rasiermesser vorsichtshalber aufgeklappt. Selbstverständlich metaphorisch.