Lang sind die Küsse zwar nicht, dafür aber sehr innig. Und sie schmecken nach Leben. Denn statt mit Wasser rettet der Prinz damit die eben aus einer Orange geschlüpfte Prinzessin Ninetta vor dem Verdursten. Ein wunderbares Symbol. Sie schmecken aber auch nach der letztlich siegenden Liebe, denn gerade davon handelt ja "Die Liebe zu den drei Orangen" von Sergej Prokofjew. Carlo Gozzi schrieb das Märchen vom melancholischen, hypochondrischen Prinzen, dem das Lachen vergangen ist.

Mit einem Glas Champagner wurde diese märchenhafte Oper, die jetzt am Stadttheater Klagenfurt Premiere hatte, verglichen, weil sie nur so von Witz, Skurrilität und Ironie sprudelt! Jeder Zuschauer sollte sich einfach darauf einlassen, den Lauf der Zeit anhalten und sich in diese Welt hineinziehen lassen. Dass dies leicht möglich ist, dafür sorgt Regisseur Immo Karaman. Denn er setzt auf Tempo und füttert unsere Augen großzügig mit ideenreichen Eindrücken. Er siedelt die surreale, ironisch-funkelnde Farce mit Elementen der Commedia dell'arte und des Märchens in der Zeit der Uraufführung 1921 in Chicago an. Damit fand er das passende Biotop für seine grelle Orangenplantage. Es genügt ihm eine drehbare Guckkastenbühne (Ausstattung: Timo Dentler und Okarina Peter), ein Theater im Theater, in dem alle Mitwirkenden, wie auf einem Gruppenfoto zusammengepfercht, immer wieder posieren. Einzelne werden, wenn sie agieren müssen, in den restlichen, dunklen Raum hinausgeschleudert. Es sind Bilder, die an den Maler Otto Dix erinnern.

Expressive Überzeichnung

Dazu kommen ungemein fantasievolle Kostüme und Masken sowie eine immer am Puls der Musik angesiedelte Choreografie von Fabian Posca, dem langjährigen Partner des deutschen Regisseurs. Mit bewusst expressiver Überzeichnung aller Figuren werden die Grenzen zum Tanz fließend. Dieser wird vom Ballett des Münchner Theaters am Gärtnerplatz, wo diese Fassung schon 2011 herauskam, famos ausgefüllt. Wie Gesten der Musik abgelauscht sind und wie sich alle - inklusive dem hoch motivierten Chore - dynamisch zu immerneuen Positionen zusammenfinden, das verrät schon ein starkes Regiehandwerk.

15 Solisten

Allein 15 Solisten braucht das Stück. Aber diese singen ebenso wie der Chor, dessen Mitglieder als einander rivalisierende Fans der Tragik, Komik und Lyrik das Geschehen kommentieren, in gut verständlichem Deutsch. Herausragend ist einmal mehr Golda Schultz als entzückende, glockenreine Prinzessin Ninetta. Ilker Arcayürek singt den traurigen, Prinzen schönstimmig mit kleinem Tenor. Stephan Klemm ist ein stimmpräsenter Treffkönig, Patrick Vogel ein höhensicherer, agiler Spaßmacher Truffaldino, Bea Robein eine tadellose Clarice. David Steffens gibt einen stimmgewaltigen Zauberer Tschelio, Zoltán Nagy einen fiesen Minister Leander und Michael Schober einen dämonischen Farfarello, kein Teufel sondern ein Pate im Anzug. Köstlich erlebt man Holger Ohlmann als böse Köchin mit schwarzem Glitzerkleid. Lasziv tritt Stefanie C. Braun (Fata Morgana) auf, tadellos Aleksandra Kri?an (Smeraldina) wie auch die vielen Nebenrollen.

Das KSO unter Alexander Soddy spielt den subtil untermalten, dramatischen Deklamationsstil Prokofjews und den wiederkehrenden schrägen Marsch mit Ohrwurmcharakter, zu dem kurioserweise Charleston getanzt wird, nicht immer ganz exakt aber schillernd, farbenreich und mitreißend. Großer Jubel!