Verdi ist der meistaufgeführte Komponist der Welt", freut sich Riccardo Muti. Der italienische Stardirigent macht kein Hehl daraus, welche Rolle der Meister aus Busseto für seine weltweite Pultkarriere gespielt hat: "Ganz sicher ist er der Komponist meines Lebens."
Der langjährige Chef der traditionsreichen Mailänder Scala weiß genau, warum das Publikum in aller Welt die Opern von Giuseppe Verdi besonders liebt. "Verdi wird für alle Zeiten aktuell bleiben, weil seine Musik auf unnachahmliche Weise die elementaren Gefühle der Menschheit wiedergibt. Mag Richard Wagner auch ebenso groß und bedeutend sein wie Verdi, so bin ich doch überzeugt, dass die Menschheit in Zukunft Verdi dringender benötigt als Wagner."
Der Vergleich mit seinem ebenfalls 1813 geborenen deutschen Antipoden hat Verdi nicht nur zeit seines Lebens, sondern bis heute verfolgt. Und gab auch Anlass für literarische Fantasien: Franz Werfel, der übrigens etliche Verdi-Opern ins Deutsche übertragen hat, schilderte in seinem 1924 erschienenen Künstlerroman "Verdi" eine fiktive Begegnung der beiden Rivalen, die ebenso wenig stattgefunden hat wie das berühmte von Friedrich Schiller ersonnene Aufeinandertreffen der britischen Königin Elisabeth I. mit Maria Stuart.
Gegensätze
Ästhetisch hat die beiden viel getrennt. Während Wagner mythische Figuren auf die Bühne brachte und dem Orchester einen entscheidenden Part zuwies, schuf Verdi Menschen aus Fleisch und Blut und den Primat des kantablen Gesangs tastete er auch dann nicht an, als er seine Instrumentationskünste immer mehr verfeinerte.
Neigten auch beide Herren zur Selbstinszenierung, die bis heute nicht ihre Wirkung verfehlt, so bezogen sie doch meist diametrale Positionen. Während Richard Wagner stets in Schulden versank und mit seinen immensen Ausgaben seinen größten Gönner, Bayerns König Ludwig II., in ernsthafte finanzielle Nöte stürzte, brachte es Verdi schon in mittleren Jahren zu erheblichem Reichtum. Mussten sich viele seiner Kollegen mit 20 Prozent Tantiemen begnügen, so setzte er bei seinem Verleger Ricordi 50 Prozent durch. Für seine "Aida", die er zur Eröffnung des neuen Opernhauses in Kairo (und nicht für die Eröffnung des Suezkanals) schrieb, verlangte und kassierte er das höchste Honorar der Musikgeschichte: 150.000 französische Franc, das sind rund 750.000 Euro.
Altersheim für Musiker
Verdi war äußerst sozial. In Mailand gründete er ein Altersheim für verarmte Musiker, dem er die Autorenrechte aller seiner Opern in allen Ländern der Welt bis zum 50. Jahr nach seinem Tod vermachte. Hier, in der Casa di Riposo, sind er und seine zweite Frau Giuseppina begraben. Bei seiner Beerdigung verabschiedeten sich 300.000 Menschen von ihm und unter Arturo Toscanini sang ein 900-köpfiger Chor das "Va pensiero" aus dem "Nabucco".
Wie kaum einer seiner Kollegen hatte er die Uraufführungen und Reprisen seiner Werke szenisch und musikalisch genau kontrolliert und die (nicht nur) damals übliche Freiheit der Interpreten drastisch eingeschränkt: "Ich erlaube es weder Sängern noch Dirigenten, selbst kreativ zu werden."