Durch das Küchenfenster im Haus der Oma konnte Sebastian Tesch auf die Werkshalle von Heldeco sehen. „Was die Firma macht, wusste ich als Kind damals nicht.“

Der Berufsweg führte Tesch zunächst ganz woanders hin. Er besuchte die Tourismusschule Semmering und wurde Koch. Zehn Jahre arbeitete er in Graz. Das persönliche Fazit fällt für Tesch ernüchternd aus: kaum freie Wochenenden, 14-Stunden-Tage, dem Geld, vor allem dem für die geleisteten Überstunden, musste er nachlaufen. Mit 30 sagte er sich, „es ist noch nicht zu spät, eine neue Lehre zu beginnen“.

So kam Turnau wieder ins Spiel. Ein Ort seiner Kindheit, 1500 Einwohner, ein Hochtal am Fuß des Hochschwabs und ein touristischer Geheimtipp zwischen Pogusch und Mariazell. Ein Unternehmen wie Heldeco würde man hier nicht vermuten. In dem 1991 gegründeten Familienbetrieb, der auf 63 Mitarbeiter und vier Hallen gewachsen ist, werden zum Beispiel die Achsschenkel für den weltgrößten Muldenkipper gefertigt. Oder Formteile für den Airbus A380, Verstell- und Fixierelemente für Bohrinseln, Kielfinnen für Schiffe, die weltgrößte Dampfturbinenschaufel, Rührwerke für die Lebensmittelindustrie und einiges mehr. Auf eine Zeitungsannonce hin bewarb sich Tesch als Lehrling und wurde genommen.

"Muss ja nicht fürs ganze Leben gelten"

„Ich habe ihm gesagt, dass er als 30-Jähriger mit den 15-Jährigen in der Berufsschule sitzen wird“, sagt Finanzchefin Sabine Dettenweitz, froh darüber, den Fachkräftenachwuchs in der Region gefunden zu haben. „Ich bin dort fast der Älteste“, bestätigt Tesch, „aber die berufliche Entscheidung, die man mit 15 trifft, muss ja nicht fürs ganze Leben gelten.“

Sebastian Tesch
Sebastian Tesch © (c) Simon Möstl ONLOPH

Seit einem Jahr lernt Tesch also den Beruf des Zerspanungstechnikers und bearbeitet Metalle an der computerunterstützten Drehmaschine. „Ein Job mit Zukunft, vor allem in dieser Region.“ Nicht zuletzt: Das Geld kommt pünktlich, die Arbeitszeiten sind fix, die Wochenenden frei. „Hier bin ich keine Nummer“, streicht er die engagierten Eigentümer hervor. „So soziale Chefleute habe ich noch nie gehabt.“

"Es war überwältigend"

20 Autominuten weiter östlich im Mürztal glüht der Stahl bei bis zu 1700 Grad Celsius im größten Lichtbogenofen in Österreich. Bei Breitenfeld Edelstahl werden Stahl-Rohblöcke zwischen einer und 125 Tonnen Gewicht gegossen und nach Europa (Italien und Deutschland), aber auch nach Übersee (Mexiko, Taiwan) exportiert.

„Alle, die sich für eine Lehre bei uns bewerben, führe ich durch das Werk“, erzählt Betriebsleiter Florian Schneller. „Das ist obligatorisch, denn es ist laut, staubig und warm.“ Viele Bewerber winken nach diesen Eindrücken ab und kommen kein zweites Mal. Lena Knoll aus Langenwang blieb – obwohl sie mit offenen Schuhen zum Vorstellungsgespräch kam, wie sie schmunzelnd erzählt. Diese Schuhe tauschte sie bald gegen den Schutzhelm und ist nun die erste Frau bei Breitenfeld, die zur Metallurgin und Umformtechnikerin ausgebildet wird (früher hieß der Beruf Hüttenwerksschlosser). Davor hatte die 18-Jährige die AHS-Matura in Mürzzuschlag gemacht. „Einige Zeit war es mein Plan, zu studieren“, sagt Knoll. „Doch ich fand kein passendes Studium und möchte ohnehin schneller eigenständig sein.“

Lena Knoll
Lena Knoll © (c) Simon Möstl ONLOPH

Nach Berufs-Schnuppertagen in der Kosmetik und der Pflege gab ein Bekannter den Hinweis auf Breitenfeld. Der erste Kontakt mit dem Werk brannte sich ins Gedächtnis ein. „Man kann sich das ja nicht vorstellen. Es war überwältigend, als ich zum ersten Mal die Pfannenöfen sah.“ Bereits nach wenigen Monaten – die Lehre begann im September – wird der Mürztalerin von den Ausbildern „ein wesentlich größeres handwerkliches Talent als so manchem Burschen“ attestiert, berichtet Schneller.

„Trivial ist das nicht“

Was macht eine Metallurgin? „Ich begleite den Stahl vom Schmelzen bis zum Guss und schaffe durch das Hinzufügen bestimmter Legierungen die gewünschten Eigenschaften“, erklärt Knoll. „Man betreut die Prozessschritte, analysiert und beaufsichtigt sie“, sagt Schneller und fügt hinzu: „Trivial ist das nicht.“ Klar, wenn man weiß, dass der Rohstoff der Stahlkocher Schrott (vor allem aus der Autoindustrie) ist, es aber über 100 Schrotttypen gibt und ebenso viele Sorten Stahl.