Es ist 16.50 Uhr. Der Zug startet vom Lienzer Bahnhof los nach San Candido, Innichen. Next Stop: Thal, 16.59 Uhr. Die Waggons sind recht gut gefüllt: Pendler, Schüler, Senioren. Seit einigen Wochen fallen den Passagieren auch noch weitere Fahrgäste auf: Viele Flüchtlinge aus Nordafrika, dem Nahen Osten und Indien sitzen in den Zügen von Lienz nach Innichen. "An guten Tagen sind es sicher 100 Menschen", erzählt uns ein Zugbegleiter der ÖBB. Viele von ihnen würden schnell nach Italien wollen – und die meisten hätten auch einen gültigen Fahrschein.

Bei den Stamm-Passagieren drängt sich dennoch immer öfter die Frage auf, ob die zuständigen Behörden die Fluchtbewegung im Griff haben und ob alles koordiniert abläuft. Was auffällt: Die Wunschdestination für viele Geflüchtete scheint Italien zu sein. Es gibt auch Ausnahmen. Etwa ein junger Mann aus Tunesien. Er steigt in Abfaltersbach in jenen Zug, der nach Lienz fährt. Er fragt nach, wie er nach Wien Schwechat kommt. "Vienna" ist sein Ziel. Ob er dort Freunde oder Familienangehörige hat? "Nein", sagt er. Fahrschein hat er keinen, allerdings ein Dokument von der Polizei, wonach er nach Schwechat ins Erstaufnahmezentrum für Flüchtlinge muss. Damit ist er legal unterwegs.

Jakob Ebner, stellvertretender Bezirkspolizeikommandant
Jakob Ebner, stellvertretender Bezirkspolizeikommandant © Michael Egger

Ein Zugbegleiter sagt, dass die Polizei am Bahnhof Sillian in den Zügen regelmäßig Kontrollen durchgeführt hätte. Das habe sich geändert. Kontrollen gibt es nur mehr selten. Das lässt Jakob Ebner, der stellvertretende Bezirkspolizeikommandant, so nicht stehen. "Wir kontrollieren sehr wohl, wenn wir Kapazitäten haben." Aber auch die Polizei leide unter Personalmangel. Er weiß davon, dass vor allem in den Morgenstunden und in den Abendstunden vermehrt Flüchtlinge in den Zügen sind – in Zügen, die von Osten kommen und über Lienz Richtung Italien fahren. Dass es oft an Tagen bis zu 100 Personen sind, ist ihm aber zu hoch gegriffen.

Menschen mit Asylstatus versuchen das Land zu verlassen

Ebner macht darauf aufmerksam, dass viele Flüchtlinge legal über die Südroute durch Osttirol fahren würden. "Sie legen einen QR-Code von der Ersterfassung vor und damit ist für uns der Fall erledigt." So würden sie über Arnbach nach Italien einreisen. "Da können wir nichts machen", zuckt der Kommandant mit den Schultern. Dann gibt es laut Ebner jene, die Asylstatus haben. Der Asylantrag sei vielleicht vor 24 Stunden gestellt worden, aber solche Flüchtlinge versuchten, das Land zu verlassen. "Wenn sie erwischt werden, bekommen sie eine Verwaltungsanzeige. Sie werden gemeldet, wenn sie in Begriff der Ausreise waren", erläutert der Exekutivbeamte. 

Und dann gibt es noch die Flüchtlinge, die illegal mit dem Zug durch Osttirol nach Italien unterwegs sind. Sie kommen im Osten in das Bundesgebiet, sind nicht registriert und setzen sich über die Südroute Richtung Westen wieder ins Ausland ab. Ebner: "Solche Flüchtlinge werden bei uns immer wieder aufgegriffen. Für sie gibt es Festhalteaufträge oder Ladungsbescheide, dass sie sich bei der Fremdenpolizei melden müssen." Er betont aber, dass man hier keine signifikante Steigerung in Osttirol feststelle. "Und es gibt auch keine Tendenzen für Einbrüche oder Diebstähle entlang der Bahnlinie in Osttirol", beruhigt er.

Zahlen über aufgegriffene Flüchtlinge, die illegal mit dem Zug durch Osttirol unterwegs waren, hat Bernd Kollreider von der Polizeiinspektion Sillian. 32 Aufgriffe von Menschen, die illegal auf der Bahnlinie unterwegs waren, hat es im Oktober gegeben. 18 waren es im September. Im heurigen Jahr bisher zählt man bei der Polizei insgesamt 148 Aufgriffe – vorwiegend Bangladeshi, Inder und Pakistani.

Vorwiegend Bangladeshi, Inder und Pakistani sind auf der Südroute mit der Bahn unterwegs
Vorwiegend Bangladeshi, Inder und Pakistani sind auf der Südroute mit der Bahn unterwegs © APA/ERWIN SCHERIAU

Bei den ÖBB weiß man über den Anstieg von Flüchtlingen auf der Bahnlinie Bescheid. „Natürlich dürfen sie damit unterwegs sein. Sie müssen sich bei Kontrollen aber ausweisen können“, sagt Pressesprecher Herbert Hofer.