Bekämpft, überwacht, auf dem Rückzug, aber noch immer eine Plage: Der Borkenkäfer fühlt sich in Osttirol weiterhin wohler, als es Waldbesitzern und -aufsehern lieb ist. Immerhin sei „nach Einschätzungen unserer Expertinnen und Experten der Höhepunkt des Befalls überschritten“, wie das Land Tirol respektive die Bezirksforstinspektion Osttirol auf Anfrage der Kleinen Zeitung mitteilt. So verringerte sich die Schadholzmenge durch Borkenkäfer tirolweit von 1,3 Millionen Kubikmetern im Jahr 2023 auf 770.000 Kubikmeter im Vorjahr. Aber: 88 Prozent der durch den Käfer abgestorbenen Bäume standen in Osttirol, wo sich der Schädling nach den Wind- und Schneebruchereignissen von 2018 bis 2020 besonders vermehren konnte.

Ein Borkenkäferpärchen erzeugt 30.000 Jungkäfer

Ein genauerer Blick auf die Einschlagsdaten zeigt, wie aggressiv sich die dominierende, reiskorngroße Borkenkäferart namens Buchdrucker vornehmlich durch Fichtenbestände bohrt. So kamen 2024 in Osttirol fast 600.000 Festmeter geschlägertes Käferholz zusammen. Demgegenüber standen nur 8204 Festmeter „Normalnutzung“. Landesforstdirektor Josef Fuchs erklärt: „Ein einzelnes Borkenkäferpärchen kann im Laufe eines Jahres bis zu 30.000 Jungkäfer produzieren. Diese bringen dann nicht nur einzelne Bäume zum Absterben, sondern können ganze Bestände vernichten.“ Landeshauptmannstellvertreter Josef Geisler (ÖVP) ergänzt: „Unsere Wälder sind unverzichtbarer Lebensraum für zahlreiche Tiere und Pflanzen, Erholungsraum für die Bevölkerung und Schutz vor Naturgefahren. Der Borkenkäfer ist eine ernstzunehmende Bedrohung.“

Feuchtes Frühjahr 2024 schmeckte dem Borkenkäfer nicht

Dass das Schlimmste dennoch überstanden sein könnte, bestätigt der Waldaufseher von Amlach und Tristach Sebastian de Jel: „Das Frühjahr 2024 war kalt und sehr feucht. Das hat den Borkenkäfer stark ausgebremst.“ Dabei sei die Anzahl der Käfernester nicht geringer gewesen als in den Vorjahren, jedoch blieben die Nester erheblich kleiner. Weiterhin besonders betroffen sind die Seitentäler des Bezirks, im Lienzer Becken ist der Befall geringer. „Endgültig kann dies jedoch erst im Laufe des Sommers beurteilt werden, da die Entwicklung wesentlich von der Witterung abhängt“, so das Land Tirol. Dazu de Jel: „Der Käfer braucht eine gewisse Lufttemperatur ab etwa 16 Grad Celsius, dann beginnt er zu schwärmen. Der Befall begann heuer Mitte April, seit zwei Wochen ist relativ viel los. Jetzt geht es darum, den Frischbefall schnell zu finden und das Holz aus dem Wald zu bekommen.“

Ein von Borkenkäfern befallener Fangbaum
Ein von Borkenkäfern befallener Fangbaum © Land Tirol

Das weitere Vorgehen erläutert Landesforstdirektor Fuchs: „Wir haben in allen Gemeinden Borkenkäferfallen verteilt, um ein genaues Bild der Vermehrung zu bekommen. Durch das präzise Vorgehen können wir nicht nur den Befall in einzelnen Bäumen kontrollieren, sondern eine Prognose für die kommende Saison abgeben.“ Zu den Maßnahmen zählen auch sogenannte Fangbäume: „Dazu schneiden wir frische Bäume, um den Käfer gezielt zum Einbohren zu bringen. Sobald er in die Bäume eindringt, können wir die Entwicklung beobachten. Wenn wir feststellen, dass der Fangbaum voll besiedelt ist, entfernen wir ihn samt Käfern rechtzeitig vor dem Ausflug und dämmen so die Verbreitung ein.“ Ein Landesfilm dokumentiert die Arbeiten:

1,5 Millionen Pflanzen für die Wiederaufforstung

Neben dem Kampf gegen den Käfer rückt die Aufforstung immer mehr in den Fokus. Auch hier ist Osttirol „spitze“: Mit circa 1,5 Millionen Forstpflanzen wurde mehr als die Hälfte der über die Tiroler Landesforstgärten verkauften Pflanzen für den Bezirk Lienz angeschafft. Der Anteil der Mischbaumarten (Lärche, Tanne, Zirbe, Kiefer, Bergahorn, Eiche, Buche, Linde, Vogelkirsche und sonstige Laubhölzer) bei den Aufforstungen in Tirols Wäldern betrug laut des Landes 60 Prozent. Die Fichte hat noch einen Anteil von rund 40 Prozent und sei rückläufig.

Sebastian de Jel ist Waldaufseher in Amlach und Tristach
Sebastian de Jel ist Waldaufseher in Amlach und Tristach © André Schmidt

Für de Jel ist der Fichtenanteil jedoch immer noch zu hoch. Selbst hat der gebürtige Niederländer im Vorjahr im Tristacher Privatwald 2530 Bäume gesetzt, davon etwa 21 Prozent Lärchen und 16 Prozent Bergahorn – aber keine Fichte. De Jel: „Ich versuche seit Jahren zu vermitteln, dass man die komplette Baumartenpalette ausnutzt, die zum Waldstandort passt.“ Auch in Amlach setzte er zusammen mit der Agrargemeinschaft im Vorjahr rund 2000 Bäume aus acht verschiedenen Arten. „Es geht darum, in den Mischbestand zu investieren, nicht die Fichte komplett auszuschließen. Die samt sich sowieso aus und kommt von alleine dazu“, so de Jel, der oft auf unkonventionelle Methoden setzt.

2530 Bäume wurden im Vorjahr im Tristacher Privatwald gesetzt, davon nicht eine Fichte
2530 Bäume wurden im Vorjahr im Tristacher Privatwald gesetzt, davon nicht eine Fichte © Kofl-Kurier / de Jel

Das Land Tirol sieht nun auch die Herausforderung, „die große Zahl an Pflanzen rechtzeitig in den Waldboden zu bringen.“ Zudem sei es notwendig, die Jungbäume „auszusicheln“, also von Konkurrenzvegetation wie Gras und krautigen Pflanzen freizuhalten. Das Amt wünscht sich in Folge „gut strukturierte, stabile und mit mehreren Baumarten durchmischte Bestände.“ Auch de Jel wird weiter für diese Vielfalt kämpfen: „Ich habe im Vorjahr mit einem Waldbesitzer zwölf Baumarten ausgesucht, weil er wirklich eine Buntmischung wollte. Er und seine Frau sind jetzt total glücklich damit. Aber diese Überzeugung ist nicht bei allen da, die Forstwirtschaft ist keine innovative Branche.“