Erst mit durchschnittlich 25 Jahren verlässt der Nachwuchs sein Elternhaus. Die Gründe dafür sind unterschiedlich: Unter anderem sorgt die immer länger dauernde Ausbildungsphase dafür, dass auch die "Jugendphase" immer länger wird. Wenn dann aber ein intaktes Elternhaus fehlt und Kinder von der öffentlichen Jugendhilfe aufgenommen werden müssen, dann führt diese Entwicklung zu gravierenden Nachteilen für die jungen Erwachsenen. Man bezeichnet sie als Care Leaver. Immerhin werden 13.000 Kinder und Jugendliche über die Jugendhilfe betreut. Ihre Unterstützung endet aber abrupt mit dem 18. Geburtstag. Nur in Ausnahmefällen kann bis zum 21. Lebensjahr verlängert werden. 

Bundesländer sind am Zug

Die Benachteiligung der Care Leaver ist inzwischen auch allen Trägern der Jugendhilfe, nämlich den Bundesländern, bekannt und ein Anliegen. Aber die tatsächlichen Aktivitäten zur Verbesserung ihrer Lage halten sich laut Dachverband Österreichischer Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen (DÖJ) bisher in Grenzen. In mehreren Bundesländern überreicht man inzwischen den Care Leavern beim Abschied einen Gutschein, mit dem sie nach dem Ende der Betreuung noch einige kostenlose Beratungsstunden in Anspruch nehmen können (Vorarlberg, OÖ, Salzburg). Oder man vergütet den Einrichtungen, aus denen sie kommen, gewisse Nachbetreuungsstunden (Tirol, Burgenland). Manche Bundesländer haben bisher noch nichts geändert oder sind noch am Erarbeiten einer neuen Lösung (Wien, NÖ, Stmk). Die Länderkonferenz der Jugendhilfe hat aber letzte Woche einen österreichweit gemeinsamen Standard vorgesehen.

Vorzeigeprojekt in Kärnten

Den effizientesten Weg hat Kärnten beschritten. Dort wurde in Villach und Klagenfurt je eine Care-Leaver-Anlaufstelle mit einer Vollzeitkraft eingerichtet. Das Konzept dieser Einrichtung ist zukunftsweisend. Es gibt nicht nur allen Care Leavern die Möglichkeit einer persönlichen Unterstützung. Mehr als 50 Care Leaver nehmen laufend diese Unterstützung an. Die neue Einrichtung holt die zukünftigen Care Leaver schon vor ihrer Entlassung bei den einzelnen sozialpädagogischen Einrichtungen ab. Und sie ist vernetzt mit vielen Stellen, die fallweise auch mit Care Leavern zu tun haben. Auch diese vermitteln die jungen Erwachsenen zum neuen Care Leaver Stützpunkt.

"Was wir machen, ist das, was alle guten Eltern tun: Sich auch nach dem 18. Geburtstag noch für die Situation und Sorgen der uns anvertrauten jungen Menschen zu interessieren, um ihnen beim Selbstständigwerden zu helfen", sagt Carina Kofler von der Diakonie de La Tour, Leiterin der Care-Leaver-Stellen in Kärnten. "Wir haben gesehen, dass diese Hilfe enorm wichtig ist", so Matthias Liebenwein, Fachbereichsleitung Kind, Jugend und Familie bei der Diakonie de La Tour und einer der "Motoren" des Projektes. "Es sind die 'letzten Meter' auf einem oft langen Weg, die gut begleitet sein müssen, damit jugendliche Care Leaver eine bessere Chance haben, nachhaltig im Leben Fuß fassen zu können. Das sind wir den Jugendlichen aus sozialpädagogischer Sicht schuldig", erzählt Liebenwein und ergänzt: "Auch die Investitionen der öffentlichen Hand machen sich bezahlt, da zukünftig meist weniger Unterstützung notwendig ist."

Austausch mit der Politik

Anfang Oktober trafen sich Vertreter des DÖJ und der österreichweiten Plattform Jugendhilfe 18+ zu einem Austausch mit der zuständigen SPÖ-Landesrätin Beate Prettner über weitere Entwicklungen der Care-Leaver-Unterstützung in Kärnten. Insbesondere wurde auch über die Möglichkeit von Care Leavern, mit den ehemaligen Betreuerinnen und Betreuern weiterhin in Kontakt zu bleiben, wie es die Gutschein-Modelle zulassen, gesprochen. Auch die Begrenzung der Hilfen auf das 21. Lebensjahr wurde angesprochen. In Burgenland wurde diese Begrenzung z. B. auf das 24. Lebensjahr erhöht. Auch in Vorarlberg kann man über 21 hinaus die Gutscheine einlösen.

Kooperation mit Uni Klagenfurt

Die Errichtung eigener Care-Leaver-Stellen in Kärnten ist in Österreich einmalig. Dass Kärnten eine besondere Vorreiterstellung in Bezug auf Care Leaver einnimmt, wird auch dadurch untermauert, dass in der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt, im Institut für Erziehungswissenschaft und Bildungsforschung schon bisher und auch weiterhin gezielt Forschung in Bezug auf Care Leaver gemacht wird. Studienleiter Stephan Sting, der auch bei der Besprechung mit dem Land dabei war, berichtet, dass wieder eine neue Studie über die Bedeutung von Familie im Übergang aus der Jugendhilfe-Betreuung angelaufen ist.

Der DÖJ begrüßt die Bemühungen des Landes Kärnten für die jungen Menschen in der Kinder- und Jugendhilfe ausdrücklich. "Wir hoffen, dass in einem bundesweiten Standard für Care Leaver die positiven Erfahrungen des Kärntner Modells beispielgebend sein werden", meint dazu Hubert Löffler, Geschäftsführer des DÖJ.