Es war ein langes Warten und Zittern. Werden sie es über den Grenzübergang schaffen oder nicht? 79 Waisenkinder und 28 Betreuerinnen wurden am Wochenende aus der Ukraine evakuiert. Nach fast 40 Stunden Fahrt über Polen und Tschechien sind sie auf der Flucht vor dem Krieg in Österreich angekommen. An der Grenze zwischen Polen und der Ukraine wartete ein großer Konvoi mit Bussen, Rettungstransportwagen, sechs Ärzten und Ärztinnen und anderen Helfern. Mit dabei waren auch zwei Kinderärztinnen des Klinikums Klagenfurt: Ursula Pichler (48) und Anna Wollschläger (30). "Es war bis zum Schluss nicht klar, ob wir in die Ukraine müssen, um die Kinder zu holen. Denn die Busfahrer der Waisenkinder dürfen eigentlich das Land nicht verlassen, weil sie Männer sind", schildert Wollschläger. Die beiden Ärztinnen aus Kärnten waren auf alles eingestellt. "Aber dann haben wir erfahren, dass die Busse mit den Kindern über die Grenze nach Polen fahren dürfen. Wir warteten bei einer Autobahnraststätte in Polen in Grenznähe", erzählt Pichler.

Die Waisenkinder aus der Ukraine waren im Alter zwischen ein paar Monaten und drei Jahren. Zum Teil waren die Kinder schwerbehindert. "Die Herausforderung war, dass wir nicht wussten, in welchem gesundheitlichen Zustand die Kinder ankommen werden. Wir hatten Vorinformationen, dass die Kleinen wochenlang von Bunker zu Bunker gezogen sind." Als die Kinder dann eingetroffen sind, musste ein behindertes Kind sofort – noch direkt am Übergabeort bei der Raststätte – intensivmedizinisch betreut werden. "Das Kind brauchte rasch Versorgung, es war in einem kritischen Zustand und musste bei der Atmung unterstützt werden", berichtet Oberärztin Pichler. Den anderen Kindern sei es gut gegangen.

Die ukrainischen Waisenkinder bei Zwischenstation in Polen
Die ukrainischen Waisenkinder bei Zwischenstation in Polen © KK

"Frauen leisten Unglaubliches"

Für die Ärztinnen war es eine beeindruckende und wohl auch berührende Begegnung. "Da waren so viele Babys und Kleinkinder. Sie wirkten alle ruhig und zufrieden. Denn ihre Betreuerinnen hatten es geschafft, Normalität und Kontinuität in diese absolute Ausnahmesituation des Krieges zu bringen. Diese Frauen strahlten eine enorme Ruhe, Sicherheit und Liebe aus", schildert Wollschläger. Pichler, selbst dreifache Mutter, meint: "Mit welcher Belastung diese Frauen arbeiten und was die im Hintergrund alles leisten, ist unglaublich. Sie sind mit ganzem Herzen dabei." Jede Frau kümmert sich um mehrere Kleinkinder.

Die Helfer warteten auf einer Raststation in Grenznähe
Die Helfer warteten auf einer Raststation in Grenznähe © KK

Im Burgenland angekommen

In Polen stiegen alle in die anderen, extra organisierten Busse um. "Auf jedem Sitz war ein Maxi Cosi, die Betreuerinnen hielten die Kinder, trösteten sie, streichelten sie, machten Fläschchen", berichtet Assistenzärztin Wollschläger. Die Medizinerinnen sind gemeinsam mit den Betreuerinnen und Kindern zurück nach Österreich gefahren. Einige wurden in Krankenhäuser gebracht, für die anderen Kinder und ihre Betreuerinnen wurde im Burgenland ein Haus hergerichtet. Dort sind sie nun untergebracht. "Es war wichtig, dass sie alle zusammen bleiben durften." Auch von dem Kind, das in kritischem Zustand war, gibt es gute Nachrichten. "Es ist stabil", wissen die Ärztinnen. Beide wurden vom Verein "first aid first hand" für die Hilfsaktion engagiert. Laut Außenministerium waren das österreichische Generalkonsulat in Polen und ein Team aus Außenamt, Polizei-Sondereinheit Cobra und Jagdkommando des Bundesheeres an der Evakuierung beteiligt.

Pichler und Wollschläger sind mittlerweile zurück in Kärnten und arbeiten schon wieder – wie gehabt – im Klinikum. Vergessen werden sie ihren Einsatz an der Grenze aber so schnell nicht. Pichler: "Diese Menschen brauchen weiterhin unsere Unterstützung, auch dann, wenn sie nicht mehr in den Schlagzeilen vorkommen, das muss uns bewusst sein."