Herr Nidetzky, Ihr Kollege Hugo Portisch, mit dem Sie die ORF-Mammutsendung im Juli 1969 moderierten, nennt die Mondlandung von Apollo 11 einen "Durchbruch der Menschheit": Pflicht Sie ihm da bei?
Peter Nidetzky: Im Großen und Ganzen – ja. Ja, es war schon ein unwahrscheinlich großer Schritt, so wie das Neil Armstrong auch selbst formulierte.

Was macht das Phänomen aus?
Nidetzky: Ich dachte erst kürzlich darüber nach. Damals war es möglicherweise das: Man konnte ein einmaliges Ereignis, und das war es zweifellos, persönlich und live miterleben. Wir hatten noch nie so viele Fernsehzuschauer!

Fühlen Sie sich selbst auch als ein Teil der Fernsehgeschichte?
Nidetzky: Ich will das nicht herunterwiegeln, aber es war ein Job wie jeder andere. Ich habe damals ziemlich viel live gemacht bei uns im Haus (im ORF, Anmerkung). Es war Teil meiner Aufgaben. Als der Spaß begann, habe ich von Raketen eigentlich nichts verstanden. Das Interesse kommt automatisch, wenn man sich damit beschäftigt: Speziell als ich in der Vorbereitungsphase mit einem Kamerateam für einige Wochen in den USA war und all das aus der ersten Reihe sehen konnte, etwa den Bau der Mondraumschiffe.

Besuchten Sie damals auch die "Mission Control", also die Nasa-Leitzentrale in Houston, Texas?
Nidetzky: Das war besonders beeindruckend. Das war ja im Grunde alles archaisch, wenn man es sich heute anschaut. Die Computer, ich sehe sie noch vor mir, hatten die Größe eines kleinen Autobusses. Mit mechanischen Geräten haben sie die Mondbahnen berechnet und gesteuert. Dass das alles funktioniert hat, ist schon sehr erstaunlich. Über 1000 Leute arbeiteten Tag und Nacht an den Vorbereitungen.



Und die Amerikaner gewährten Ihnen und Ihrem Team so einfach Einblicke in das Programm?
NIDETZKY: Die waren dort erstaunlich locker, das Entgegenkommen war groß. Es gab unter dem wissenschaftlichen Personal auch viele Deutsche und Österreicher, die die Nasa beschäftigte. Wir waren aber schon unter einer gewissen Kontrolle: Wir mussten z. B. Fotoausweise anstecken. Nach einer Stunde verblassten diese aber immer – sie waren nichts mehr wert und mussten erneuert werden.

Urban, Nidetzky, Pichler und Portisch (von links)
Urban, Nidetzky, Pichler und Portisch (von links) © (c) ORF



Warum wurden Sie ausgewählt? Meldeten Sie sich selbst?
Nidetzky: Ich wurde rekrutiert (lacht). Ich war damals alleine, hatte noch keine Familie. Wenn irgendwo etwas los war, flogen wir hin. Heute gibt es ja für alles Korrespondenten und Fachredaktionen. Nichts von alledem! Am Vormittag habe ich den Karl Schranz interviewt, am Nachmittag den Bruno Kreisky. Ich machte besonders gerne Live-Sendungen. Eine schöne, vielseitige Zeit. Heute läuft alles auf viel, viel schnelleren Schienen.



Die ORF-Mammutübertragung zog sich über 28 Stunden. Wie konnte man in der Prä-Internet-Ära über eine so lange Zeitspanne die Spannung halten? Der Ausstieg von Armstrong war ja erst um vier Uhr morgens unserer Zeit.
Nidetzky: Die 28 Stunden für die Sendung werden stimmen. Im Studio waren wir sogar 34 Stunden. Natürlich wurden wiederholenswerte Dinge wiederholt. Hugo (Portisch, Anmerkung) war eine Koryphäe auf dem Gebiet der Live-Berichterstattung und ging auf die politische Seite ein. Wir hatten sogar kurz den "Eagle" (die Mondlandefähre, Anmerkung) live. ORF-Diplom-Dolmetscherin Ingrid Kurz war großartig: Wir konnten zwar auch alle recht gut Englisch – aber sie hatte sich jenes Flieger-Englisch angeeignet, das auch die Astronauten verwenden.

Viel Material aus der ORF-Sendung wurde ja leider gelöscht, nur ein paar Minuten haben überlebt.
Nidetzky: Was wir alles überspielt haben. Sensationell. Wir haben legendäre Sendungen vernichtet!

Besonders spannende Momente am Weg zur Mondoberfläche?
Nidetzky: Die hatten Probleme bei der Landung, über die zunächst gar nicht gesprochen wurde. Da ging plötzlich ein Alarmlamperl an, das deutete "Da is' was, da is' was!" Neil Armstrong hat dann das einzig Richtige getan: Er schaltete das ganze Automatik-Glumpert weg und landete händisch – wie man das bei einem Segelflugzeug macht – am Mond. Und das am besten Punkt, den es gab. Unglaublich.

Hugo Portisch brillierte mit politischen Analysen
Hugo Portisch brillierte mit politischen Analysen © (c) ORF



Können Sie Ihre Gefühle noch abrufen, als der "Adler" landete?
Nidetzky: Es war zweifellos hochspannend. Man muss allerdings sagen: Die hatten für Apollo 11 eine kleine Schwarz-Weiß-Industriekamera auf einem Bein der Mondlandefähre installiert. Das war es auch schon. Alle Handys heute machen viel bessere Videos. Obwohl: Die ersten Bilder wirkten gerade so gut, weil sie unscharf und grieselig waren. Zudem gab es noch viele Schwarzweiß-Fernsehgeräte. Die Aufnahmen späterer Apollo-Missionen hatten ja fast schon Studio-Qualität. Dann der große Moment: "Jetzt steigt er runter – fällt er um?" – so etwas fragten sich damals alle.

Haben Sie selbst eine Anmoderation für den tragischen Fall der Fälle vorbereitet? Der damalige US-Präsident Richard Nixon hatte ja eine Rede an die amerikanische in petto, sofern die Astronauten nicht zurückkehren konnten.
Nidetzky: Nixon hatte einen Nachruf parat, wir haben mitgezittert. Was kann man da auch vorbereiten? Natürlich gab es abenteuerliche Momente. Plötzlich fand sich irgendwo ein Schraubenschlüssel, den jemand vergessen hatte. Ein "Sicherheitsmoment" nach dem anderen. Auf der anderen Seite hatten sie aber nie einen echten Ausfall bei Apollo 11, das muss man auch festhalten.

Stimmte Sie das große Wagnis der Nasa auch nachdenklich?
Nidetzky: Ich durfte in Downey (Stadt in Kalifornien, in der Systeme des Apollo-Programms hergestellt wurden, Anmerkung) in eine der Kapseln steigen. Ich hatte rundherum zwei Platz Zentimeter Platz. Klaustrophobisch durfte man nicht sein. Und die waren dort zu dritt tagelang eingesperrt! Den Moment, als im Anflug auf den Pazifik der Schirm über ihnen aufging, müssen sich Armstrong, Aldrin und Collins sehr herbeigesehnt haben. Bei der Heimkehr lief es für Apollo 11 perfekt. Kosmonauten mussten sie hingegen teils irgendwo in der Taiga suchen. Es gibt Berichte, wonach russische Raumfahrer Waffen gebraucht hätten: Als sie die Kapsel aufmachten, erwarteten sie bereits vier Wölfe (lacht).

Herbert Pichler
Herbert Pichler © (c) ORF



Die öffentliche Begeisterung verflog nach Apollo 11 sehr rasch. Überraschte Sie das persönlich?
Nidetzky: Ich war ja wieder dort, in Vorbereitung auf das Space-Shuttle-Programm und fragte einige Verantwortliche nach neuen Mond-Missionen: "Wie läuft es jetzt weiter? Die Sicherheit ist höher, die Computer sind besser." Deren Antwort: "Ja, stimmt – aber wir haben ein Problem: Es interessiert niemanden mehr." So ist der Mensch wohl. Das Einmalige interessiert ihn. Die Space Shuttles, die dann kamen, lieferten für die Öffentlichkeit keine greifbaren Ergebnisse.

Seit vielen Jahren kursieren Verschwörungstheorien, wonach die Mondlandung "Fake" war. Beschäftigten Sie sich auch damit?
Nidetzky: Von journalistischer Seite war es auch für mich interessant. Ich habe aber selbst nicht einmal den Deut eines Verdachts wahrgenommen. Die ersten, die Betrug überlauert hätten, wären die Sowjets gewesen! Die haben aber gratuliert, wenn auch säuerlich. Klar ist: Die Amerikaner hatten sehr viel Glück, denn "g'mahte Wiesn" war das keine.

Wie spannend wäre eine bemannte Landung auf dem Mars?
Nidetzky: Ich bin skeptisch, ob man mit jenen Astronauten, die sich dafür melden, hinfliegen sollte. Sie kämen ja nicht mehr zurück. Mit Humanität hätte das wohl nicht mehr viel zu tun. Moderieren würde ich das, sofern ich das dann noch "derkraxeln" könnte. Mitfliegen sicher nicht.

Ist ein singuläres Menschheitsereignis dieser Größe noch einmal vorstellbar? Wie sehr bewegt Sie etwa der Fall der Mauer 1989?
Nidetzky: Eine verdammt gute Frage. Für mich persönlich war der Mauerfall so bewegend wie die Mondlandung. Ich hätte selbst nicht mehr damit gerechnet, diese politische Umwälzung noch zu erleben.

Ihre persönliche Zukunftsprognose für den Erdtrabanten?
Nidetzky: Unser guter alter Mond birgt noch einiges an Erkenntnissen.