Zhong Nanshan ist so etwas wie der Christian Drosten Chinas. Der führende Pandemie-Forscher der Volksrepublik gab mit seinen Ratschlägen schon die Richtung vor, als sein Land vor 18 Jahren von der Lungenkrankheit SARS heimgesucht worden war. Damals sammelten die Chinesen wichtige Erfahrungen für den Kampf gegen Coronaviren. Auch dieser Wissensvorsprung half dem Milliardenvolk, bisher besser durch die Krise zu kommen, als große Teile des Westens. Während die "zweite Welle" in den USA und Europa wütet, kann Zhong Nanshan vor allem gute Nachrichten verbreiten. Er gehe nicht davon aus, dass es in China noch einmal zu einem großflächigen Corona-Ausbruch kommen wird, zitieren chinesische Staatsmedien den Star-Forscher dieser Tage. "Die derzeitige Lage in China ist sicher. Aber es war ein hart erkämpfter Sieg", fasst der 84 Jahre alte Arzt die Situation in seinem Heimatland zusammen.

Tatsächlich hat die autokratische Volksrepublik seiner Bevölkerung im Kampf gegen das Coronavirus einiges zugemutet. Millionenstädte wurden zum Teil über Wochen abgeriegelt. Strikte Isolation, Massentests und eine praktisch lückenlose digitale Nachverfolgung von Fällen haben dazu geführt, dass das Milliardenvolk besser durch die Krise gekommen ist als viele andere Regionen - auch wenn dabei auf die Privatsphäre keine Rücksicht genommen wurde.

Seit Monaten gibt es nach Angaben der Führung kaum noch neue Infektionen, so dass sich das Leben und die Wirtschaftstätigkeit wieder normalisieren. Ökonomen gehen davon aus, dass China in diesem Jahr die einzige große Volkswirtschaft sein wird, die das Jahr mit einem positiven Wachstum abschließen kann.

Der Ort des Ursprungs

Selbst in Wuhan,dem einstigen Epizentrum, wo das Virus im vergangenen Dezember weltweit zuerst ausgebrochen war, ist längst so etwas wie Normalität zurückgekehrt. Wuhan war die erste chinesische Stadt, die wegen des Virus über Wochen komplett abgeschottet war. Von den mehr als 86.000 offiziell gemeldeten Infektionen in China gab es mehr als 50.000 allein in der Metropole. Ähnlich waren von den landesweit mehr als 4.600 aufgeführten Toten durch die Lungenkrankheit mehr als 3.800 in Wuhan zu beklagen.

"Wer ins Kino geht, um einen Film anzusehen, muss noch eine Maske tragen, aber man braucht sie nicht mehr, wenn man einkaufen geht", erzählt Herr Wang, ein 45 Jahre alter Fitnesscoach, über die derzeitige Lage in seiner Heimatstadt: "Im Großen und Ganzen ist alles wieder normal."

Wang, der selbst im Frühjahr währen des Lockdowns über Wochen seine Wohnung nicht verlassen durfte, versteht nicht, dass Menschen aus anderen Ländern mit Empörung reagierten, als kürzlich ein Video um die Welt ging, das eine ausgelassene Pool-Party in Wuhan mit Tausenden Teilnehmern zeigte. Wer diese Bilder kritisiert, der verstehe nicht, dass in China eben keine Gefahr mehr bestehe, meint Wang: "Die Menschen machen einen Fehler, wenn sie die Bilder vor dem Hintergrund der Pandemie-Situation in ihren eigenen Ländern bewerten."

Dass auch China noch nicht ganz aus dem Schneider ist, weiß aber auch Wang. Schließlich kommt es immer noch gelegentlich zu lokal begrenzten Ausbrüchen, wie zuletzt etwa in der westlichen Region Xinjiang, wo mehr als 180 Infektionen gemeldet wurden. Oder in der Küstenstadt Qingdao, in der sich ein gutes Dutzend Menschen in einem Krankenhaus mit dem Virus infiziert hatte. In beiden Fällen reagierten die Behörden mit enormen Gegenmaßnahmen: Knapp zehn Millionen Menschen wurden in Qingdao innerhalb von vier Tagen auf das Virus getestet. In Xinjiang mussten sich mehr als vier Millionen Menschen testen lassen, Hunderttausende wurden in einen neuen Lockdown geschickt. Im Rest Chinas kann das Leben unterdessen weiterlaufen.