Die Mafia lebt auch vom Mythos, der sie umgibt. Im Fall von Matteo Messina Denaro traf das besonders zu. Messina Denaro galt als der letzte Super-Boss der sizilianischen Cosa Nostra, als Erbe der Paten Toto Riina und Bernardo Provenzano. 30 Jahre lang suchten Ermittler nach ihm, es wird vermutet, dass der letzte „Capo dei Capi“ (Boss der Bosse) zahlreiche Helfer auf der Flucht hatte. Im Jänner wurde Messina Denaro schließlich in Palermo gefasst.
"Viel Schaden zugefügt"
Messina Denaro galt als einer der brutalsten Mafiosi, er war mitverantwortlich für Attentate auf Anti-Mafia-Ermittler in den 1990er Jahren und für Bombenanschläge der Cosa Nostra. In der Nacht zu Sonntag starb der 61-Jährige in einer Klinik in L'Aquila. „Er hat seinem Land viel Schaden zugefügt“, sagte Enzo Alfano, Bürgermeister von Castelvetrano auf Sizilien, dem Heimatort Messina Denaros. „Es wird noch Jahrzehnte dauern, bis wir der Kultur der Illegalität und der Straflosigkeit, die er und seine Gefolgsleute gepflegt haben, ein Ende setzen können.“
Tödlicher Krebs
Messina Denaro war schwer krebskrank. Nach einer zweiten Operation im August wurde der Mafioso aus dem Hochsicherheitsgefängnis in L'Aquila in eine Gefängnisstation im örtlichen Krankenhaus gebracht. Seit Freitag soll sich Messina Denaro in einem irreversiblen Koma befunden haben. Nach Angaben der Nachrichtenagentur Ansa weilte seine Tochter an seiner Seite. Wie italienische Medien berichteten, lernte sie der Boss erst im vergangenen April kennen.
Seine Krankheit hatte Messina Denaro im vergangenen Winter in die Fänge der Polizei getrieben. In einer großangelegten Aktion wurde der Mafioso am 16. Jänner in der Privatklinik „La Maddalena“ in Palermo gefasst. Er hatte sich dort unter dem Namen Andrea Bonafede mehrfach behandeln lassen. Auch in Haft zeigte der Sizilianer keine Reue. „Messina Denaro hätte Namen nennen und Tatsachen berichten können von Taten, die er begangen hat. Leider hat er das nicht gemacht“, sagte Bürgermeister Alfano.
Seit 1993 untergetaucht
Der Mafioso, der auch unter dem Namen „Diabolik“, „primula rossa“ (rote Primel) und „U Siccu“ (der Dünne) bekannt war, befand sich seit 1993 auf der Flucht. 2002 wurde er in Abwesenheit zu lebenslanger Haft verurteilt. Er hatte Dutzende von Menschen persönlich getötet oder ihre Ermordung in Auftrag gegeben. Neben den Attentaten gegen die Ermittler Giovanni Falcone und Paolo Borsellino, an deren Planung Messina Denaro beteiligt war, beging der Boss andere brutale Verbrechen.
Entführung und Mord
1993 war Messina Denaro an der Entführung des 15-jährigen Giuseppe Di Matteo beteiligt. Dessen Vater hatte sich entschieden, mit der Justiz zusammenzuarbeiten und über das Attentat 1992 auszusagen, bei dem Falcone, dessen Ehefrau und drei Leibwächter getötet worden waren. Die Männer um Messina Denaro hielten den kleinen Giuseppe fast 800 Tage gefangen, erwürgten ihn und lösten den Körper in Säure auf.
Verherrlichung und Popstar-Image
Trotz dieser Brutalität wurde der Mafioso immer wieder verherrlicht. In der jugendlichen Subkultur Siziliens entstand teilweise ein Mythos um den Verbrecher mit seinem luxuriösen Lebensstil und seiner Vorliebe für teure Uhren und Sonnenbrillen. So waren vor etwa zehn Jahren nicht nur Wandmalereien mit dem Konterfei Messina Denaros in Palermo aufgetaucht. Der Boss der Bosse wurde auch in Liedern verherrlicht.