Wie wahrscheinlich ist es, dass das Gesetz, das unter anderem den (legalen) Kauf von Tabakwaren für die Jahrgänge nach 2004 verbieten soll, "durchgehen" wird? Wie schätzt die Cancer Society, für die Sie arbeiten, das Vorhaben ein?
SHAYNE NAHU: Die Regierung hat Mitte April ihren Aktionsplan für ein "Rauchfreies Aotearoa 2025" vorgelegt. Derzeit läuft eine sechswöchige Prüfung. Wie viele andere Organisationen in Neuseeland wird auch die "Cancer Society" vor Ende Mai ihr Feedback zum Aktionsplan geben. Anschließend wird die Regierung die eingereichten Unterlagen bis 31. Mai des heurigen Jahres prüfen und einen neuen Aktionsplan veröffentlichen.

Schon seit einigen Jahren sinkt die Raucherquote in Neuseeland allgemein: Von 2010 bis 2018 ging der Pro-Kopf-Tabakkonsum (Bevölkerung über 15 Jahre) um 39 Prozent zurück.
Richtig, jüngsten Daten zufolge sinken die Raucherquoten in Neuseeland weiter. Der Anteil muss jedoch noch schneller gesenkt werden - das ist erklärtes Ziel der Regierung von Jacinda Ardern bzw. der damit beauftragten stellvertretenden Gesundheitsministerin Ayesha Verrall.

Wird und kann der Zeitrahmen für "Smokefree 2025" halten?
Es ist schwer vorherzusagen, wie lange die Prüfphase dauern wird. Wir wissen jedoch, dass die Regierung die Dringlichkeit sieht, die vorgeschlagenen Maßnahmen auch durchzusetzen. Das Zielvorgaben richten sich auf das Jahr 2025, und Gesundheitsexperten sind sich einig, dass Neuseeland die meisten, wenn nicht alle der vorgeschlagenen mutigen Maßnahmen umsetzen muss, um dieses Ziel zu erreichen. Darunter fällt natürlich auch, die Tabakverfügbarkeit auf ein Minimum zu reduzieren.

Ist nicht absehbar, dass Raucher andere - illegale - Wege suchen werden, um an ihre Zigaretten zu kommen?
Leider ist es nicht einfach, hier gute Daten zu finden. Eine aktuelle Schätzung besagt aber, dass illegaler Tabak nur 1,8 bis 3,9 Prozent des gesamten Konsums in Neuseeland ausmacht, während ein Tabakunternehmensbericht aus dem Jahr 2018 ihn auf 9,2 Prozent schätzt. Von Zeit zu Zeit lesen wir in unseren Medien Geschichten über große Schmuggelversuche. Glücklicherweise haben wir durch unsere Agrarwirtschaft hier eine sehr starke Barriere - wir müssen aber noch wachsamer werden. Wir gehen auch davon aus, dass mit den von der Regierung vorgeschlagenen Maßnahmen die Gesamtnachfrage nach Zigaretten ohnehin sinken wird. Und: Das Gesetz soll in der Praxis von speziellen Vollzugsbeamten überprüft bzw. durchgesetzt werden.

Shayne Nahu, Anwaltschafts- und Forschungsmanager der neuseeländischen Cancer Society
Shayne Nahu, Anwaltschafts- und Forschungsmanager der neuseeländischen Cancer Society © www.cancer.org.nz



In Österreich war bzw. ist es häufig so, dass junge Raucher ältere Freunde vorschicken, um an Zigaretten zu kommen...
Das stimmt. Aktuelle Untersuchungen zeigen, dass die "soziale Versorgung" auch eine Bezugsquelle für junge Neuseeländer ist. Dies ist einer der Gründe, warum die Regierung das Rauchen weniger attraktiv bzw. schwieriger machen will. Dafür soll beispielsweise die Anzahl der Geschäfte, die Tabak verkaufen dürfen, verringert werden. Es wird eine rauchfreie Generation heranwachsen, die nicht mehr bereits in jungen Jahren vom Tabak abhängig ist.

Warum ist die Raucherquote gerade unter den Māori so hoch?
Die Gründe dafür sind vielfältig. Wir sehen aber prinzipiell höhere Raucherquoten bei Menschen mit einem niedrigeren "sozioökonomischen Status" (SES) - das ist ein Maß für das Einkommensbildungsniveau und die Berufsklasse. Māori und pazifische Insulaner sind in dieser Gruppe stark vertreten. Außerdem gibt es in Gebieten, in denen die Maori leben, mehr Geschäfte, in denen Tabak verkauft wird - etwa vier Mal so viele!

Brachten Einheitsverpackungen und Warnhinweise auf den Zigarettenschachteln etwas?
Im Jahr 2020 stellten Forscher der Universität von Otago in Wellington fest, dass die Einführung standardisierter Packungen und verbesserter Warnhinweise die Attraktivität des Rauchens verringerte. In Australien, wo zum ersten Mal neutrale Verpackungen eingeführt worden waren, verstärkten diese zumindest die Absicht, aufzuhören.

Unterstützen die jungen Generationen das zweifellos sehr kompromisslose Ziel, Neuseeland schrittweise rauchfrei zu machen? 
Der Rauchfrei-Aktionsplan der Regierung, der 2011 angesetzt worden war, wurde gerade zur legistischen Prüfung freigegeben. Wir wissen daher derzeit noch nicht, was junge Menschen von den konkret vorgeschlagenen Maßnahmen halten. Wir wissen aber sehr wohl, dass diese Generationen die Agenda im Allgemeinen sehr positiv sieht: Laut einer auf Umfragen basierenden Studie der Universität von Canterbury in Christchurch unterstützen fast 97 Prozent der Studenten das mutige Ziel. Knapp 89 Prozent glauben daran, dass es erreicht werden kann. Bei den 14- bis 15-Jährigen sind es immerhin 80 Prozent, die den Plan befürworten.

Man muss mit massivem Widerstand der Tabakindustrie rechnen...
Die Tabakindustrie ist natürlich traditionell ablehnend, was Maßnahmen betrifft, um die Zahl der Raucher zu verringern. Neuseeland hat es jedoch recht gut geschafft, solche Einflußnahme in die Gesundheitspolitik zu verhindern. Im Jahr 2020 belegte unser Land immerhin Platz 5 von 34 im "Global Tobacco Index": Damit werden Maßnahmen beurteilt, die von Regierungen aktiv getroffen werden, um solche "Störfeuer" abzuwehren.

Wird die Tabakindustrie in den Prozess miteingebunden werden?
Es wird seitens der Regierung erwartet, dass die Tabakindustrie und der Einzelhandel am Konsultationsprozess teilnehmen werden.