In Italien hat am Montag die "Phase 2" mit einer Lockerung der seit zwei Monaten geltenden strengen Ausgangssperre begonnen. Damit unternimmt Italien einen wichtigen Schritt zurück in die Normalität. Im Land kommt es zu ein wenig mehr Bewegungsfreiheit, doch die Ausgangsregeln sind teilweise unklar und sorgen für Verwirrung. Befürchtete chaotische Zustände vor allem im Nahverkehr blieben aus.

Da die Pandemie-Kurve seit Wochen rückgängig ist, dürfen Italiener ab Montag wieder in Parks spazieren gehen. Erlaubt ist nur Einzelsport, wie etwa Joggen. Besuche bei Angehörigen in der Wohngemeinde sind wieder gestattet, große Familientreffen und private Feiern hingegen weiterhin verboten. Viel wurde darüber spekuliert, wie genau der Begriff "Angehörige" zu definieren sei. Besuche bei Partnern oder Verlobten, mit denen man nicht zusammenlebt, sind erlaubt, Freunde treffen jedoch nicht, teilte das Innenministerium nach langen Spekulationen mit.

Eine korrekt ausgefüllte Selbsterklärung über den Grund des Freigangs muss jeder Passant auch in der "Phase 2" stets mit sich führen. Man braucht jedoch nicht den Namen des Angehörigen anzugeben, den man besucht. Vier Millionen Italiener nahmen am Montag wieder ihre Arbeit auf, für den Neustart von Industrie und Bauwirtschaft.

In Bussen und U-Bahnen durften nur 50 Prozent der Fahrgäste, die normalerweise zugelassen werden, mitfahren. Ein- und Ausgänge auf Bahnhöfen und Flughäfen müssen anders gesteuert werden - etwa durch "Einbahnstraßen". Büros können ihre Öffnungszeiten erweitern, um Stoßzeiten zu vermeiden. Beim Fliegen soll es Maskenpflicht geben. Auf der Nord-Süd-Achse verkehren wieder mehr Züge, denn aus beruflichen oder auch dringenden sanitären Gründen können die Italiener außerhalb ihrer Wohnregion reisen.

Premier Giuseppe Conte rief die Italiener zu Pflichtbewusstsein auf. "Das Land ist in unseren Händen. Mit Umsicht und Entschlossenheit wollen wir verhindern, dass Italiens Wirtschaftsmotor zum Erliegen kommt. Wir können jedoch nicht neu starten, ohne zuerst an die Gesundheit und Sicherheit von uns allen zu denken. Ich bin zuversichtlich, dass wir es zusammen schaffen werden", schrieb der Regierungschef auf Facebook. "Wir erleben heikle Tage, wir werden in circa zehn Tagen die Auswirkungen eines eventuellen Zuwachses der Ansteckungen sehen. Wir müssen besonders umsichtig sein. Vieles hängt von den Vorbeugungsmaßnahmen ab, die die Nahverkehrsgesellschaften ergreifen", sagte der lombardische Gesundheitsbeauftragte Giulio Gallera.

Mit Beginn der "Phase 2" mit mehr Bewegungsfreiheit bestürmten die Italiener Cafes und Bars, die Espresso und Cappuccino anbieten, allerdings lediglich im "Take away"-Format. Die Lockerung der Ausgangssperre betrifft zwar nicht die ganze Gastronomie, die erst ab dem 1. Juni die Lokale öffnen kann. Liefer- und "Take away"-Service ist jedoch erlaubt. Schlangen bildeten sich in Rom und Mailand vor einigen der beliebtesten Cafes. Diese richteten "Einbahnstraßen" in den Lokalen ein, in denen der Kunde zahlt und seinen Plastikbecher bekommt. Viele Lokale boten Desinfizierungsmittel an. Die Kunden genießen ihren Kaffee meist auf der Straße und achten dabei auf die Abstandsregeln.

Während Italien seit Montag die Ausgangssperre leicht gelockert hat, warnen die Industriellen vor der Gefahr eines "sozialen Kollaps" ab kommendem Herbst. Die Regierung habe zwar Stützungsmaßnahmen zur Verfügung gestellt, mit denen die Italiener vielleicht bis zu drei Monate weitermachen können. Es fehle jedoch an Investitionen in das Produktionssystem.

Inzwischen bereitet sich Italien schon auf die nächsten Schritte vor. Am 18. Mai ist die Wiedereröffnung von Museen, Ausstellungen und Bibliotheken geplant. Friseure, Schönheitssalons, Gastronomie und der Kleinhandel müssen sich bis zum 1. Juni gedulden. Sollte sich die Pandemie-Kurve jedoch rasch reduzieren, erklärte sich die Regierung in Rom zu einer rascheren Lockerung der Maßnahmen bereit, vor allem in den Regionen mit minimaler Zahl von Neuinfektionen.