Nach den schweren Protesten im Libanon mit brennenden Barrikaden und Straßenblockaden sind wegen der wirtschaftlichen Krise erneut Tausende Menschen in der Hauptstadt Beirut auf die Straße gegangen. Polizei und Militär waren dort aus Sorge vor möglichen Ausschreitungen verstärkt im Einsatz.

Mehrere Straßen wurden gesperrt. Auch im Süden des Landes kam es teilweise zu Demonstrationen. Am Samstagabend kündigte der Vorsitzende der rechtsorientierten Libanesischen Kräfte (CLF), Samir Geagea, den sofortigen Rücktritt aller vier Minister seiner Partei aus dem Regierungskabinett an. "Wir sind nun überzeugt, dass die Regierung nicht in der Lage ist, die notwendigen Schritte zu unternehmen, um die Lage in den Griff zu bekommen", teilte Geagea mit.

Die Proteste richten sich gegen die politische Führung, der Kritiker Verschwendung öffentlicher Gelder und Korruption vorwerfen. Sie hatten am Donnerstag begonnen und zur Schließung von Schulen und Geschäften geführt. Teils schlugen Randalierer dabei Schaufenster ein. Für großen Unmut sorgte die Regierungsankündigung, künftig eine tägliche Gebühr von 0,20 Dollar auf die Nutzung von Kommunikationsdienstenwie WhatsApp zum Telefonieren zu erheben.

Rasch Weg aus der Krise finden

Premierminister Saad Hariri versuchte in Treffen mit Vertretern verschiedener Parteien, rasch einen Weg aus der Krise zu finden, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Regierungskreisen erfuhr. Am Freitag hatte er bereits Besserungen versprochen und seinen politischen Partnern 72 Stunden Zeit gegeben, nach Lösungen zu suchen. Einige Demonstranten forderten am Samstag vorgezogene Parlamentswahlen.

Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah warnte, dass ein Regierungswechsel die Krise nicht lösen werde. "Hört auf, in die Taschen der Armen zu greifen", sagte er im Fernsehen. Die Hisbollah, die mehrere Minister in der Regierung stellt, werde keine neuen Steuern zulassen.

"Wir haben sie zuvor mit kleinen Protesten gewarnt, aber jetzt ist die Mehrheit der Libanesen genervt, vielleicht sind es sogar alle. Wir sind alle verschuldet", sagte eine Demonstrantin. Aktivist Ammar Abud sagte, die Bevölkerung habe erkannt, dass Proteste ihr einziges Mittel sei, um die Dinge zu ändern. "Wir bleiben hier, bis es Veränderungen gibt", sagte ein weiterer Demonstrant.

Übermäßige Gewalt

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International kritisierte, dass Sicherheitskräfte mit übermäßiger Gewalt vorgegangen seien, um "einen überwältigend friedlichen Protest" zu beenden. Die Polizei habe große Mengen Tränengas eingesetzt und Protestler mit gezogenen Waffen in Gassen gejagt und auch geschlagen, teilte Amnesty mit. Die staatliche Nachrichtenagentur NNA berichtete, alle am Freitag in Beirut festgenommenen Demonstranten seien wieder auf freiem Fuß. Aktivisten zufolge waren dort etwa 40 Menschen festgenommen worden.

Das kleine Land mit 6,8 Millionen Einwohnern kämpft mit einer Wirtschafts- und Finanzkrise. Die Staatsverschuldung liegt bei 86 Milliarden US-Dollar (gut 77 Milliarden Euro), was einer Quote von etwa 150 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) entspricht. Es ist eine der höchsten Schuldenquoten weltweit.