Im Zuge eines "schlecht vorbereiteten Einsatzes" sei ein Sohn des in den USA inhaftierten Drogenbosses Joaquin "El Chapo" Guzman zunächst gefasst, dann aber wieder freigelassen worden, sagte der mexikanische Verteidigungsminister Luis Crescencui Sandoval am Freitag.

Kein Haftbefehl

Die Nationalgarde war in Culiacan mit einer Übermacht bewaffneter Angreifer konfrontiert, es gab heftige Straßenkämpfe. "Dieser Einsatz war schlecht vorbereitet", räumte Verteidigungsminister Sandoval bei einer Pressekonferenz in Culiacan, der Hauptstadt des Bundesstaates Sinaloa, ein. Erst während der Aktion hätten sich die Einsatzkräfte um einen Haftbefehl bemüht, deswegen sei der "El Chapo"-Sohn Ovidio Guzman Lopez alias "El Raton" (die Maus, Anm.) nicht verhaftet worden.

Am Donnerstag hatte Sicherheitsminister Alfonso Durazo erklärt, Ovidio Guzman sei mit drei weiteren Verdächtigen festgenommen worden, nachdem eine Patrouille der Nationalgarde aus einem Wohnhaus in Culiacan angegriffen worden war. In der Folge hätten zahlreiche bewaffnete Männer das Haus umstellt. Laut Durazo waren sie den Soldaten zahlenmäßig überlegen.

Anrainer flüchteten

Anrainer hätten inmitten des Schusswechsels flüchten müssen, führte der Sicherheitsminister aus. "Um das höhere Gut, die Sicherheit und das Wohlergehen der Bevölkerung von Culiacan zu schützen", habe die mexikanische Regierung "entschieden, die besagten Aktionen auszusetzen", sagte Durazo in einer Videobotschaft. Zunächst ließ er aber offen, ob Ovidio Guzman dadurch freikam. Mexikanische Medien berichteten aber über seine Freilassung.

Auf Fernsehbildern waren Soldaten und Polizisten unter Beschuss von schwer bewaffneten Männern zu sehen. Einige Autofahrer auf den umliegenden Straßen verließen in Panik ihre Fahrzeuge, um sich vor den Schüssen in Sicherheit zu bringen.

Kämpfe dauerten sechs Stunden

Laut Durazo starteten die Angreifer auch an mehreren anderen Orten der Stadt Attacken, die Kämpfe dauerten etwa sechs Stunden. Die bewaffneten Angreifer blockierten Straßen und Autobahnen rund um die 750.000-Einwohner-Stadt Culiacan und brachten das öffentliche Leben damit zum Erliegen. Aus Kreisen der Regierung des Bundesstaates Sinaloa hieß es, mehrere Polizisten hätten Verletzungen erlitten.

Bürgerkriegsähnliche Szenen

In Culiacan herrschte stundenlang Chaos. Es wurden bürgerkriegsähnliche Szenen mit schwerbewaffneten vermummten Bandenmitgliedern und in Brand gesetzten Fahrzeugen gefilmt. Eine unbekannte Zahl von Häftlingen im Gefängnis Aguaruto de Culiacan nutzte nach Angaben aus Regierungskreisen das Chaos, um auszubrechen.

Die Regierung von Sinaloa erklärte, sie bemühe sich darum, die Ruhe in Culiacan wiederherzustellen. Zugleich rief sie die Bevölkerung auf, "ruhig zu bleiben, die Straßen zu meiden und sehr aufmerksam auf Warnhinweise der Behörden zu der sich entwickelnden Lage zu achten".

Ovidio und sein Bruder Alfredo Guzman sollen die Führung über einen Teil des jahrelang von "El Chapo" geführten Sinaloa-Kartells übernommen haben, nachdem ihr Vater 2017 an die USA ausgeliefert worden war. "El Chapo" wurde im Juli in New York zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Der langjährige Anführer des berüchtigten Sinaloa-Kartells galt einst als der mächtigste Drogenbaron der Welt. Trotz seiner Inhaftierung schmuggelt sein Kartell weiterhin die meisten Drogen in die USA.

Mexikos linksgerichteter Staatschef Lopez Obrador hat seit seinem Amtsantritt Ende vergangenen Jahres immer wieder zugesagt, die Kriminalität im Land wirksam zu bekämpfen. Bisher kann er aber keine großen Erfolge vorweisen. Seit dem Beginn des Armeeeinsatzes gegen die Drogenbanden 2006 starben bereits mehr als 250.000 Menschen im mexikanischen Drogenkrieg.