Im ersten Halbjahr 2019 hat es über zehn Millionen neue Binnenvertriebene gegeben. Das geht aus einer Bilanz hervor, die das Internal Displacement Monitoring Centres (IDMC) der NRC Flüchtlingshilfe am Donnerstag präsentierte. "Diese Zahlen sind alarmierend hoch, zumal wir erst die Hälfte des Jahres hinter uns haben", kommentierte IDMC-Direktorin Alexandra Bilak die Bilanz in einer Aussendung.

"Die Zahlen beweisen, dass die Ursachen der Konflikte und Ungleichheiten nicht angegangen werden und dass Vertreibung zyklische Krisen- und Verletzlichkeitsmuster hervorruft", meinte Bilak bezüglich der Zahlen von Jänner bis Juni weiter.

Konflikte, Gewalt, Naturkatastrophen

3,8 Millionen Vertreibungen wurden demnach durch Konflikte und Gewaltausgelöst, vor allem in Afrika und im Nahen Osten. Die Mehrheit fand vor dem Hintergrund geplatzter Friedensabkommen und Waffenstillstandsverletzungen in Syrien, im Jemen, Afghanistan und Libyen statt. Tripolis wurde von der schlimmsten Gewaltwelle seit Beginn des libyschen Bürgerkriegs heimgesucht, wie das IDMC konstatierte.

Auch die anhaltende Unsicherheit in der Demokratischen Republik Kongo, Äthiopien und Nigeria habe viele weitere Menschen vertrieben, heißt es zudem in dem Bericht. Kriminelle Gewalt im Nordwesten Nigerias und Auseinandersetzungen zwischen Hirten und Bauern in der Region des Middle Belt hätten mehr Menschen in die Flucht getrieben als der Aufstand von Boko Haram. "Regionale Konflikte und Terroranschläge haben die interkommunalen Konflikte in ganz Westafrika neu entfacht, was zu Vertreibung beispiellosen Ausmaßes führte."

Naturkatastrophen lösten laut dem IDMC einen Rekord von sieben Millionen neuen Vertreibungen aus. "Die Tatsache, dass die überwiegende Mehrheit davon Stürmen und Überschwemmungen zuzuordnen ist, deutet darauf hin, dass Massenvertreibungen durch extreme Wetterereignisse zur Norm werden."

In Indien und Bangladesch habe der Zyklon Fani Millionen neuer Vertreibungen ausgelöst, "auch wenn sie in Form von lebensrettenden Evakuierungen stattfanden". Der Zyklon Idai wiederum hatte in Mosambik, Malawi, Simbabwe und Madagaskar, verheerende Auswirkungen, konstatierte das Beobachtungszentrum. "Viele Menschen sind dort noch immer vertrieben. Im Iran waren es Überschwemmungen, die ähnlich katastrophale Folgen nach sich zogen, rund 90 Prozent des Landes waren betroffen. Auch Äthiopien, die Philippinen und Bolivien wurden von Überschwemmungen schwer getroffen."

Zahl der Vertriebenen soll auf 22 Millionen steigen

Ausgehend von bisherigen Trends und der Tatsache, dass die meisten wetterbedingten Gefahren in der zweiten Jahreshälfte auftreten, schätzt das IDMC, dass die Anzahl der neuen Vertreibungen durch Naturkatastrophen bis Ende des Jahres auf rund 22 Millionen steigen und sich damit mehr als verdreifachen wird. Damit wäre 2019 eins der schlechtesten Jahre, was diese Art von Vertreibung betrifft.

"Die internationale Gemeinschaft kann die Binnenvertriebenen nicht mehr länger ignorieren", hielt Bilak fest. "Wir müssen die nationalen Regierungen in ihren Bemühungen unterstützen, Binnenvertriebene zu schützen und zu unterstützen, Frieden zu schaffen und in nachhaltige Entwicklung und Anpassung an den Klimawandel zu investieren. Nur dann können wir die Unruhen, Traumata und Verarmungen verringern, unter denen Jahr für Jahr Millionen Menschen leiden, und die in diesem Bericht dargelegten Trends umkehren."