Die griechische Vulkaninsel Santorin kommt nicht zur Ruhe. Seit zwei Wochen bebt die Erde, mitunter im Minutentakt. Die Erdstöße werden immer heftiger. Deswegen hat das Bürgerschutzministerium für die griechische Insel am Donnerstag den Notstand ausgerufen. Damit können die Behörden in den nächsten 30 Tagen unter anderem die Besitzer von schwerem Gerät und andere Menschen unbürokratisch für Räumungsmaßnahmen und weitere notwendige Arbeiten zum Dienst verpflichten.

Drei mögliche Szenarien

Mehr als zwei Drittel der Bewohner und Besucher haben die Insel bereits verlassen. Was steht Santorin bevor? Seit die unheimliche Bebenserie am 24. Jänner begann, haben die Seismografen fast 7000 Erdstöße registriert. Und die Häufigkeit nimmt zu: Allein gestern ereigneten sich bis 15 Uhr 24 Beben der Magnitude vier und darüber. Am Mittwochabend gab es das bisher heftigste Beben mit der Stärke 5,2. Und es könnte noch schlimmer kommen: Seismologen meinen, dass das Hauptbeben noch bevorsteht.

Der Seismologe Efthymios Lekkas sagte im Radiosender Skai, er halte drei Szenarien für möglich. Nummer eins: Die Bebenserie dauert noch Tage oder Wochen an und verebbt dann einfach. Das zweite Szenario ist laut Lekkas ein Hauptbeben mit einer Magnitude von etwa 5,5. Dadurch würden die Spannungen im Gestein der Bruchzone abgebaut, ohne dass es zu größeren Schäden kommt. Szenario Nummer drei, das Lekkas aber für „sehr unwahrscheinlich“ hält, wäre ein Beben der Größenordnung 6 auf der Richterskala. Das könnte Gebäudeschäden und Felsabbrüche an Santorins Steilküsten verursachen.

Santorin ist das Ergebnis eines gewaltigen Vulkanausbruchs, der sich vor etwa 3600 Jahren ereignet hat. Übrig blieb der Vulkankrater, der sich mit Meerwasser füllte. Die Ränder des Kraters ragen steil aus dem Meer auf und bilden die heutige Insel. Im Laufe der vergangenen Jahrzehnte wurden immer mehr Hotels, Restaurants und Ferienhäuser unmittelbar am Kraterrand gebaut, weil man von dort einen spektakulären Ausblick auf die Bucht hat. Doch bei einem schweren Erdbeben sind diese Gebäude akut gefährdet.

File and stock image of Santorini island, as more than 400 tremors occurred in the last few days in the sea area between Santorini and Amorgos while at least 12 of these exceeded 4 on the Richter scale. Scientists emphasize that the seismic activity may last for weeks. IMAGO/ONE INCH PRODUCTIONS SANTORINI Greece Copyright: xOnexInchxProductionsx 6454233
Leere Gassen und verlassene Häuser prägen nun das Bild © IMAGO

Zu den Küstenregionen, in denen Erdrutsche drohen, gehört auch der Fährhafen Athiniou. Die örtlichen Behörden haben inzwischen Evakuierungspläne aufgestellt, um im Katastrophenfall Menschen von anderen, kleineren Häfen aufs Festland bringen zu können. Auch der Zivilschutz, die Feuerwehren und Rettungsdienste sind auf eine Evakuierung vorbereitet. Die griechische Marine hat zwei Schiffe in die Region geschickt.

Dass die Bebenserie Vorbote einer Eruption des Vulkans von Santorin ist, glauben die meisten Wissenschaftler nicht. Sie warnen aber vor der Gefahr von Tsunamis, wenn es zu einem schweren Beben unter dem Meeresgrund kommen sollte. Solche Flutwellen könnten auch auf den umliegenden Inseln Menschen in Gefahr bringen.

Gespenstisch ausgestorben

Während immer neue Erdstöße die Insel erschüttern, herrscht in den Ortschaften eine gespenstische Ruhe. Die Straßen und Gassen sind fast menschenleer, die meisten Geschäfte und Restaurants haben dichtgemacht. Polizisten patrouillieren, um Plünderungen zu verhindern. Seit Montag sind Schulen und Kindergärten geschlossen, alle Veranstaltungen wurden abgesagt. Auf Santorin sind knapp 16.000 Bewohner gemeldet, über 10.000 Menschen haben die Insel verlassen. Auch die meisten von rund 1600 Urlaubern sind abgereist, ebenso wie viele Saisonarbeiter. Die meisten Zurückgebliebenen sind mit ihren Kräften längst am Ende.

Unter Hoteliers, Ferienhausvermietern und Gastwirten wächst die Sorge. Private Vermieter melden Stornierungen vor allem für April und Mai. Santorin hatte 2024 etwa 3,5 Millionen ausländische Besucher, davon 1,3 Millionen Kreuzfahrttouristen. Für dieses Jahr sah es zunächst sehr gut aus. Jetzt fürchten Hoteliers, dass die Gäste wegbleiben, wenn die Bebenserie andauert – oder es gar zur großen Katastrophe kommt.