Neue Erdstöße haben auf der griechischen Insel Santorin die Angst vor einem großen, verheerenden Beben verstärkt. Deswegen haben mittlerweile zwei Drittel der rund 16.000 Bewohner die Insel verlassen. Aus Sorge vor Plündereien werden die leeren Gassen der Ortschaften verstärkt von der Polizei kontrolliert, berichtete der Nachrichtensender ERTnews.
Das Ministerium für Bürgerschutz verstärkte inzwischen die Einsatzkräfte auf den betroffenen Inseln Santorin, Ios, Amorgos und Anafi. Feuerwehrleute, aber auch Rettungskräfte mit Suchhunden sind vor Ort, ebenso Mitarbeiter der Elektrizitätswerke, die im Falle eines Stromausfalls nach einem starken Beben große Generatoren betreiben können, sagte Regierungssprecher Pavlos Marinakis.
In der Nacht auf Mittwoch gab es weiterhin Beben im Minuten- bis Viertelstundentakt. Seismologen und Geologen weisen auf unterschiedliche Prognosen zu einem möglichen Ende des Phänomens hin.
Schlangen vor Ticket-Büros
Laut einer von der Küstenwache übermittelten Aufstellung brachen von Sonntag bis Dienstagfrüh 4640 Menschen an Bord von vier Fähren Richtung Festland auf. Die Fluglinie Aegean Airlines transportierte nach eigenen Angaben am Montag mit neun Flügen 1294 Passagiere von Santorin ab. Fünf der Flüge seien Sonderflüge gewesen.
Für Dienstag setzte die Airline acht Flüge „mit einer Kapazität von mehr als 1400 Plätzen“ an. Zudem sollten zwei Fähren die Insel verlassen. Vor den Ticket-Büros bildeten sich Schlangen. Der Tourismus, der jedes Jahr mehr als drei Millionen Besucher auf die Insel führt, läuft zu dieser Jahreszeit auf Sparflamme, so dass fast nur Einheimische an Ort und Stelle sind.
Diese wurden Dienstagfrüh kurz vor fünf Uhr (drei Uhr MEZ) durch einen erneuten Erdstoß aufgeweckt: Das Beben der Stärke 4,9 habe sein Zentrum rund 30 Kilometer vor Santorin im Ägäischen Meer gehabt, erklärte das Geodynamische Beobachtungsinstitut in Athen. Gut drei Stunden später gab es in der gleichen Region ein Beben der Stärke 4,7, weitere leichtere Beben folgten.
Serie von Erdbeben auf Santorin begann am 24. Jänner
Die Erdbebenserie auf der griechischen Urlaubsinsel Santorin reißt nicht ab. Die Serie begann bereits am 24. Jänner. Vorsorglich hatten die Behörden bereits am Sonntag beschlossen, die Schulen auf Santorin ab Montag zu schließen. Zudem wurden die Einwohner aufgerufen, sich nicht an Küstenabschnitten aufzuhalten, für die eine Gefahr vor Erdrutschen und Tsunamis besteht. Videoaufnahmen zeigen, wie fallendes Geröll an den Steilhängen der vulkanischen Insel Staubwolken aufsteigen lässt. Größere Schäden sind aber bisher nicht bekannt geworden.
Keine Entwarnung
Auch in den kommenden Tagen ist laut Experten mit weiteren Erschütterungen zu rechnen. Wie lange die seismische Aktivität anhalten wird, sei aber unklar. „Es ist das erste Mal, dass so etwas passiert“, sagte Athanassios Ganas vom Geodynamischen Beobachtungsinstitut im Fernsehen. Es habe innerhalb von 72 Stunden mehr als 40 Beben der Stärke 4,0 oder höher gegeben. „Wir haben so etwas bisher nicht erlebt.“
Urlaub abbrechen? Warum denn?
Doch andere wollen bleiben und scheinen bereit, das Risiko einzugehen. Der Restaurantangestellte Yiannis Fragiadakis war verreist, sagte er gegenüber der Nachrichtenagentur AP. Er sei trotz der Erdbeben am Sonntag nach Santorini zurückgekehrt. „Ich hatte keine Angst. Ich weiß, dass die Leute wirklich besorgt sind und weggehen, und als ich am Hafen ankam, war dort richtig viel los, es war wie im Sommer“, sagte Fragiadakis. „Ich habe vor zu bleiben und hoffe, dass das Restaurant in drei Wochen (für die Ferienzeit) seinen Betrieb aufnehmen kann.“
Ihre Reisepläne verschieben will laut AP auch die südkoreanische Touristin Soo Jin Kim aus Seoul nicht. Sie kam am Sonntag zu einem Familienurlaub an. „Wir haben gestern Abend im Hotel zu Abend gegessen und haben ungefähr zehnmal leichte Erschütterungen gespürt. Aber um Mitternacht haben wir eine heftige Erschütterung gespürt, eine heftige Erschütterung. Ich habe mir die Nachrichten angesehen. Wir sind halb besorgt und halb neugierig, wie die Lage ist“, sagte sie zu AP und fügte hinzu, dass sie nicht vorhabe, ihre Reisepläne zu ändern.
Schwere Beben in der Vergangenheit
Rund um Santorin befinden sich neben einem spektakulären Krater des Vulkans dieser Insel auch andere Vulkane unter der Meeresoberfläche sowie einige tektonische Platten, die durch ihre Bewegungen starke Erdbeben verursachen können. 1956 hatte es bei Erdbeben der Stärke 7, 7 und 7,2 und darauffolgende Tsunamis zahlreiche Todesopfer und schwere Schäden in der Region gegeben.
Ihre heutige halbmondförmige Optik hat die beliebte Urlaubsinsel einem gewaltigen Vulkanausbruch vor 3500 Jahren zu verdanken. Dieser gilt als einer der gewaltigsten in der Menschheitsgeschichte. Der Ausbruch um 1620 v. Chr. zerstörte große Teile der damaligen Insel, bedeckte weite Teile der Region mit einer meterhohen Ascheschicht und war - so der heutige Forschungsstand - für den Untergang der antiken minoischen Kultur verantwortlich.