„Wer soll das bezahlen, wer hat so viel Geld?“ Im Zeichen monetärer Chanson-Chancen und Risiken stand die gestrige Gemeinderatssitzung. „Der Song Contest wäre eine Riesenchance für Graz, aber nicht ohne Wenn und Aber“, sagte Kultur- und Tourismus-Stadtrat Günter Riegler (ÖVP) der Kleinen Zeitung zur möglichen ESC-Bewerbung. Bürgermeisterin Elke Kahr (KPÖ) kann sich vorstellen, dass die Stadt gegen Wien, Innsbruck oder Wels/Linz in den Ring steigt, ist aber mehr als skeptisch: „Die Grazer müssen die Kosten kennen. Klar ist, wenn Land, Bund und ORF nicht mitzahlen, können wir das nicht stemmen.“ Beim Land ortet sie bei Landeshauptmann Mario Kunasek eher keinen großen Willen, hier viel Geld in die Hand zu nehmen. Die grüne Vizebürgermeisterin Judith Schwentner teilt Kahrs Sicht der Dinge.
Nächste Woche sollen die Zahlen auf den Tisch
Im Magistrat rauchen indes die Köpfe: Abteilungen und Gesellschaften kalkulieren die Kosten, die anfallen würden. Ohne Wenn und Aber spannt sich aus der dunkelrot-grün-roten Rathauskoalition einzig die SPÖ vor den Song-Contest-Karren. Gemeinderätin Anna Robosch stellte per Dringlichkeitsantrag die Petition an ihren Genossen, Finanzminister Markus Marterbauer, sein Ministerium möge die potenziellen gesamtwirtschaftlichen Neueinnahmen für die Republik durch die möglichen Gastgeberstädte Wien, Innsbruck und Graz kalkulieren.
Ist Graz am besten geeignet?
Experten nehmen ja bei Wien und Innsbruck aufgrund einer Vielzahl von Kongressen und Events im Mai eher eine touristische Kannibalisierung durch den ESC an. An der Mur sei es im Mai hingegen eher ruhig, das Potenzial für mehr neues Geld in den Staatskassen höher. Der Gemeinderat beschloss Roboschs Antrag. Ob das Ministerium vor Ende der Bewerbungsfrist am 4. Juli Zahlen liefert? Egal! Die ESC-Debatte war eröffnet, rhetorische Euro-Visionen kosten ja nichts.
2014 zog Graz den Kürzeren
Schon 2014, als Conchita Wurst den ESC gewonnen hatte, wollte das Rathaus unter Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP) die Veranstaltung nach Graz holen, Innsbruck war ebenfalls in den Ring gestiegen. Schließlich fiel die Wahl bekanntlich auf Wien als Austragungsort. Für die Lokalpolitik vom damaligen Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer bis zu Nagl wetterte man damals gegen den ORF, weil Graz den Kürzeren gezogen hatte, und forderte die Offenlegung der Anbote.
Während Koalition und ÖVP mehr oder weniger pro Song Contest waren, gab KFG-Gemeinderat Alexis Pascuttini die Antwort, wer das nicht bezahlen soll: die Stadt. Er erinnerte die KPÖ an ihr Nein zu den Grazer Olympia-Plänen von Ex-Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP) und beantragte „dringlich“, der Gemeinderat möge nun auch den ESC-Plänen eine klare Absage erteilen. Dieser Vorstoß bekam keine Mehrheit. Auch nicht der ÖVP-Zusatzantrag, der den Pflock einschlagen sollte, dass der Song Contest nicht auf Kosten wichtiger Ressortbudgets nach Graz geholt werde.
Wie geht es weiter? Nächste Woche soll die städtische Kalkulation vorliegen, bis 8. August soll dann der Zuschlag an einen Austragungsort erfolgen. Kahr selbst machte aus ihrem Herzen zu Beginn der Debatte keine Mördergrube. Um die europäische Dimension und die Größenordnung der Veranstaltung weiß sie Bescheid. Den künstlerischen Wert der Darbietungen und Entertainment-Faktor des Wettsingens hält sie aber für überschaubar: „Ich habe den Song Contest nur gern angeschaut, als Stermann und Grissemann ihn noch moderiert haben.“