Martin Scorsese, Jane Fonda, Billy Wilder, Tilda Swinton: Sie alle beehrten in 60 Jahren die Viennale. In der Jubiläumsausgabe werden vor den Screenings Fotos von einst als liebenswerte Reminiszenz auf die Leinwand projiziert. Einige Stars tummeln sich auch heuer in Wien. Werner Herzog zum Beispiel. Der Titan des Kultkinos kam zur Vorstellung der Doku "Radical Dreamer", die Thomas von Steinaecker über ihn gedreht hat, sowie zur Präsentation seiner eigenen Doku "The Fire Within" über das Vulkanologie-Paar Katia und Maurice Krafft, dem auch die aktuell im Kino zu sehende Doku "Fire of Love“"gewidmet ist. Der Altmeister plauderte über seine bildgewaltige Hommage. Ein "Requiem" sollte es sein, eine "Totenmesse". Die Krafts mögen zu früh verstorben sein, ihre Bilder leben dank ihm weiter.
Daneben Entdeckungen am laufenden Band. Eine warmherzige Liebeserklärung ans Leben und die Nacht ist Mikhaël Hers "Les passagers de La Nuit", in der sich eine Familie just am Tag des Wahlsiegs von François Mitterrand 1981 neu erfinden muss. Eine nun alleinerziehende Mutter (großartig: Charlotte Gainsbourg) hat noch nie in ihrem Leben gearbeitet, nun muss ein Job her, beim Nachtradio. Dort strandet irgendwann die Streunerin Talulah, die sie in ihre Familie aufnimmt.

"Les Amandiers" von Valeria Bruni Tedeschi
"Les Amandiers" von Valeria Bruni Tedeschi © Viennale

Zweite französische Entdeckung: "Les Amandiers" von Schauspielerin und Filmemacherin Valeria Bruni Tedeschi, die in ihrem bislang persönlichsten Film von einem Jahrgang in der berühmten Schauspielschule Théâtre des Amandiers erzählt. Ein flirrender, hochemotionaler und tragikomischer Coming-of-Age-Trip im Theater im Frankreich der 1980er-Jahre.


Kontrastreiche Kinokost gab es mit Peter Hengls österreichischem Spielfilm "Family Dinner" sowie dem amerikanischen Film "The Menu". In ersterem besucht Simi (Nina Katlein) ihre Tante Claudia (Pia Hierzegger), eine Ex-Starköchin, die mit Mann und Sohn auf einem Hof am Land wohnt. Simi möchte, dass Claudia ihr beim Abnehmen hilft, mehr als die kruden Diätpläne stoßen ihr bald mysteriöse Vorgänge in der Familie auf. Es wird gefastet, Cousin Filipp (Alexander Sladek) wird gemästet, Claudia schreibt ein okkultes Buch.


"The Menu" von Mark Mylod dagegen erzählt von Reichtum und Privileg. Zwölf Personen wollen beim Besten dinieren – bei Slowik (Ralph Fiennes). Unter den Gästen befinden sich Margo (Anya Taylor-Joy) und Tyler (Nicholas Hoult).
Während das Essen in beiden Filmen im Mittelpunkt steht, geht "Family Dinner" subtiler vor und nutzt es als Mittel zur Erzeugung von Spannung. "The Menu" hingegen stellt das kulinarische Erlebnis in den Vordergrund. Jedem Gericht ist ein Kapitel gewidmet, während der Abend immer grotesker wird.