Das menschliche Gehirn ist ein großes Rätsel: Wie funktionieren Erinnerungen? Warum können wir uns bewegen? – Um diesen Fragen auf die Spur zu kommen, will die Hirnforschung entschlüsseln, wie die Milliarden an Nervenzellen angeordnet und über jeweils Tausende von Synapsen miteinander verbunden sind. Diese liegen im Gehirn aber so eng beieinander, dass es bisher schwer möglich war, ihre Verbindungen sichtbar zu machen. Das hat sich nun geändert.
Österreichische Forschende unter der Leitung von Professor Johann Danzl am Institute of Science and Technology Austria (ISTA) in Klosterneuburg und Google Research haben eine Mikroskopie-Technik entwickelt, die das Gehirn auf neue Weise sichtbar macht – und hilft, das biologische Puzzle ein Stück weit zusammenzusetzen. Die Methode heißt LICONN und wurde heute in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht.
Mikroskopieren mit Gel und KI
Das Besondere an LICONN: Die Technik kommt ohne spezielle Mikroskope aus. Stattdessen wird mit herkömmlichen Lichtmikroskopen gearbeitet, wie sie überall auf der Welt verwendet werden. Ein spezielles Gel macht den Unterschied: Das Gehirngewebe wird in Hydrogel eingebettet und quillt durch Hinzufügen von Wasser auf. Dadurch werden die Zellen vergrößert, ohne dass ihre Form verloren geht. So können kleinste Details sichtbar gemacht werden – bis hin zu einer Auflösung im Nanometerbereich, also 10.000 Mal dünner als menschliches Haar.
Aber damit nicht genug: Um die vielen Daten, die dabei entstehen, auszuwerten, wird mit Künstlicher Intelligenz gearbeitet. Forschende von Google Research können mit Deep-Learning-Tools automatisch erkennen, wo sich welche Zellen und Verbindungen befinden. Dadurch können Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Gehirngewebe rekonstruieren und neuronale Netzwerke visualisieren.
Großer Schritt für die Hirnforschung
Mit LICONN lassen sich nun komplette Netzwerke von Nervenzellen rekonstruieren – inklusive der Moleküle, die bei der Signalübertragung beteiligt sind. Das ist ein großer Fortschritt für die Neurowissenschaft. „Diese Technik bringt uns einen großen Schritt weiter, das Puzzle des Gehirns zusammenzusetzen“, erklärt Forschungsleiter Professor Johann Danzl. Die Methode hilft, zu verstehen, wie das Gehirn funktioniert – im gesunden, wie im kranken Zustand.