Der Widerstand, den Partisanengruppen gegen die Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten im Zweiten Weltkrieg leisteten, wurde im Nachkriegs-Österreich nicht gewürdigt.

Erst durch das Rehabilitationsgesetz von 2009 wurde Deserteuren wie dem 1992 verstorbenen Rudolf Bilgeri späte Gerechtigkeit zuteil. Der aus Vorarlberg stammende Lehrer desertierte als Wehrmachtssoldat im September 1944 zu den kommunistischen Partisanen in Athen. Der Vater des Musikers und Filmemachers Reinhold Bilgeri (siehe Interview) schrieb all seine Erlebnisse penibel in einem Tagebuch auf, um vor seiner Familie Zeugnis abzulegen. Der Kärntner Historiker Peter Pirker und die Innsbrucker Historikerin Ingrid Böhler haben dieses Tagebuch in einem wunderschön gestalteten Buch herausgegeben.

Er benennt die Verbrechen

„Die Darstellung Bilgeris ist ungewöhnlich, weil sie einen Blick von unten einführt. Es ist die Sicht eines einfachen Soldaten“, sagt Historiker Peter Pirker. Bilgeri benennt auch die Verbrechen, die die Besatzungsmacht in Griechenland begangen hat: „Er weist auf die Massaker in Athen oder die Hungersnot unter der einheimischen Bevölkerung hin.“ Ein vergleichbares Dokument „der Beteiligung österreichischer Soldaten“ an der Besatzung in Griechenland und den Widerstand dagegen gibt es nicht.

Bilgeri macht in dem Buch aber auch deutlich, wie er mit seiner Entscheidung ringt: „In Griechenland sieht er, wie die Naziherrschaft alles in ein Chaos stürzte.“ Interessant ist auch, dass der Katholik Bilgeri zu den kommunistischen Partisanen überwechselt: „Man sieht im Tagebuch, wie ein biederer, konservativer Familienvater sich im Krieg entscheidet, zu den Partisanen überzulaufen, die eine andere Ideologie als er selbst haben. Das verbirgt er auch nicht.“

Blick auf das Gefangenenlager in Ägypten
Blick auf das Gefangenenlager in Ägypten © Miro Kuzmanovic/ Richard Bilgeri

Seine Frau Ilse war mit den Kindern Wolfram und Roswitha alleine auf sich gestellt – als ihr Mann desertierte stritt sie das gegenüber der Gauleitung in einem Brief ab. Dass Bilgeri mit 38 überhaupt eingezogen worden war, lag daran, dass die Nazis in ihm „einen politisch unzuverlässigen Mann“ sahen. Deserteure wie Bilgeri waren eine Minderheit. Das Tagebuch schrieb er in der britischen Gefangenschaft in Ägypten, wo er bis 28. Dezember 1946 interniert war und am 12. Jänner 1947 nach Hause kam. In Österreich rückten schön langsam die Alt-Nazis wieder in den hohen Positionen nach und Rudolf Bilgeri, obwohl fleißig und zielstrebig, wurden die Karrieremöglichkeiten verbaut. Bilgeri holte ein Doktorat nach, aber Schuldirektor wurde er nicht. „Man hatte kein Interesse daran, Menschen, die sich anders verhalten haben, groß zu würdigen.“ Heute ist Bilgeris Namen am Widerstandsmahnmal in Bregenz zu sehen.

Rudolf Bilgeri in einem Selbstporträt
Rudolf Bilgeri in einem Selbstporträt © Rudolf Bilgeri/ Universitätsverlag Wagner
<strong>R. Bilgeri, hg. P. Pirker und I. Böhler. </strong>Bei den Partisanen in Athen. Universitätsverlag Wien.
R. Bilgeri, hg. P. Pirker und I. Böhler. Bei den Partisanen in Athen. Universitätsverlag Wien. © Univ.-verlag Wagner