In Großbuchstaben steht das Wort unübersehbar auf der Hausfassade: „L'agriculture“, das französische Wort für Landwirtschaft. In Frankreich hat Günter Koberg im angesprochenen Fach auch Erfahrungen gesammelt. Als junger Weltenbummler bei einem Ziegenbauern. Mit Ziegen begann der gelernte Tischler und an der Grazer TU graduierte Architekt Jahre nach seinen Wanderschaften sein Leben als Nebenerwerbslandwirt. Auf dem rund zehn Hektar großen Grundstück seiner Familie, in Traumlage über Graz.

Agrikultur und Baukultur

Als Nebenbeschäftigung sei sich das mit den Ziegen - Melken, Käsemachen etc. - irgendwann nicht mehr ausgegangen. Die Erzeugung von hochwertigem Schaf- und Rindfleisch habe mit diversen Fulltime-Jobs besser harmoniert. Zuletzt war Koberg Baukulturbeauftragter des Landes Steiermark, seit Kurzem ist er im sogenannten Ruhestand. Agrikultur und Baukultur spielen weiterhin Hauptrollen in Kobergs Leben, sein Haus verbindet das eine mit dem anderen auf stimmige und anschauliche Weise. Geplant wurden die Mutationen des ursprünglichen, unspektakulären Bauernhauses zu einem spannenden zeitgemäßen Gebäude vom Hausherrn selbst bzw. gemeinsam mit dem leider zu früh verstorbenen Architekten Peter Zinganel.

„Vajsa + Crno"

„L'agriculture“ ist nicht das Einzige, das an die in Rot und Ocker gehaltenen Wände des in Etappen ausgebauten Wohnhauses geschrieben ist. Koberg lud anlässlich eines runden Geburtstags einen Freund ein, sich der Außenhaut künstlerisch anzunehmen. Als eine Art „Artist in Residence“ ließ sich der Grazer Maler und Zeichner Eugen Hein vom Ambiente anregen. Von Tieren, Pflanzen, Dingen, Büchern. „Vajsa + Crno“ ist das daraus entstandene Kunstwerk betitelt. Mit zwei der beliebtesten slowenischen Namen für Kühe, gefunden in einem Buch in Kobergs reichhaltiger Bibliothek. Thomas Bernhard, Pier Paolo Pasolini und James Joyce tragen das ihre an Lese- und Denkstoff bei. Letzterer steuert unter anderem den Beginn von „A Portrait of the Artist as a Young Man“ bei, in dem eine „Moocow“ eine Straße entlangkommt. Was einem auf Kobergs Anwesen leicht passieren kann. Derzeit käuen fünf Mutterkühe mit ihren Kälbern auf dem weitläufigen Areal wieder. Und eine bunte Gruppe von Schafen.

Interessen widergespiegelt

Aber nicht nur Literatur in Ohlsdorf-Deutsch, Joyce-isch und Furlan (der von Pasolini so geliebten Sprache des Friaul) wird geboten. Weiters begegnen dem Besucher an den Wänden diverse Tiere, eine Ziege, ein Igel, ein Huhn, eine „Ape“. Die Wandbild gewordene Biene ist diesfalls aber kein Insekt, sondern die legendäre dreirädrige Cousine der zweirädrigen Wespe, des nicht minder legendären Motorrollers Vespa.
Heins Arbeit spiegelt die dicht verflochtenen Interessen des Hausherrn wunderbar wider. Koberg ist ein vielseitig Gebildeter - und ein ebensolcher Praktiker. Der selbst den Traktor aus dem als „Trattoria“ ausgeschilderten Schuppen holt oder die Kettensäge aus der Werkstätte. Um das eigene Brennholz zu machen, mit dem und einer Fotovoltaikanlage das Gehöft energiemäßig autark ist. Oder um aus Stämmen urige Möbel zu schneiden.

Holz als zentrale Komponente

Apropos Möbel. Viele Stücke, die im Haus zu finden sind, wurden nach eigenen Entwürfen Kobergs aus stets eigenem Holz - von der Birne bis zur Kastanie - gefertigt. „Holz ist ein faszinierendes Material“, schwärmt Koberg, folgerichtig wurde es nicht nur bei der Ausstattung, sondern auch beim Ausbau des Obergeschoßes zentral eingesetzt.
Die Möbelunikate sind im großzügigen, luftig-loftigen ersten Stock mit Stücken aus unterschiedlichsten Epochen kombiniert. Vor allem Stühle haben es Koberg angetan, „aber eigentlich sammle ich alles“. Da müsse er sich selbst gegenüber „oft streng sein“.

Auf dieser Ebene, die in einem vorangehenden Stadium nur ein ausgebauter Dachboden war, ist das Leben in einer, wie gesagt, höchst durchlässigen Form organisiert. Küche und Wohnraum fließen ineinander, Arbeitsraum, Bad und Schlafraum können geschlossen werden, „sind es aber eigentlich nie“ (Koberg). Reichlich Stauraum ist in den Wänden integriert.

Im Garten

Rund ums Haus und im Gewürzgarten stößt der Besucher auf fantasievolle Gebilde aus Holzstücken, Ästen, Knochen und anderem „Abfall“, nicht zuletzt Produkte der Idee von umfassender Nachhaltigkeit, der sich Koberg verpflichtet fühlt. Manchmal sind es ganz zarte Konstruktionen, manchmal recht wuchtige Wesen. „Man muss ja etwas gegen böse Geister tun“, schmunzelt Günter Koberg. Wogegen er offensichtlich noch kein Totem gefunden hat, ist der Buchsbaumzünsler. Die das prächtige Zaubergärtlein umlaufende Buxus-Hecke kann - weiß der Autor aus eigener leidvoller Erfahrung - nicht mehr gerettet werden. Der Agrikulturist, den auch eine gute Portion Gelassenheit auszeichnet, sieht das ebenso: „Ausreißen und verbrennen.“