Rechtlich seien die beiden Aufgaben unabhängig und daher vereinbar, für ihn sei aber klar, dass er sich auf die Tätigkeit in der OeNB konzentrieren wolle, sagte Gottfried Haber im Gespräch mit der APA. Für eine geordnete Übergabe stehe er längstens bis zum Ablauf seiner aktuellen Funktionsperiode am 31. Oktober zur Verfügung - eine sechsmonatige Verlängerung, wie sie die neue Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein für wichtige Funktionen als Option ins Auge gefasst hat, um die endgültige Entscheidung der künftigen neugewählten Regierung zu überlassen, wolle er aber nicht mehr mitmachen.

Auch seine Aufgabe als Professor an der Donau-Universität Krems wird Haber vorerst nicht mehr ausüben. Er bleibe zwar Professor, werde sich aber karenzieren lassen, sagte er.

Skeptischer Blick auf "Spiel der freien Kräfte"

Das aktuelle freie Spiel der Kräfte im Nationalrat verfolgt Haber skeptisch. Ganz grundsätzlich müssten sich alle Gesetzesvorschläge auf fundierte Kostenabschätzungen stützen, so die Empfehlung des Fiskalrates. Insbesondere Initiativanträge des Parlaments würden häufig die geforderten Qualitätsansprüche nicht einhalten, warnt Haber grundsätzlich. Auch die meisten nun aktuell eingebrachten Initiativanträge hätten defiziterhöhende Auswirkungen, "da halte ich persönlich es für sehr wichtig, dass man insbesondere im Vorfeld von Wahlen davon absieht, Wahlzuckerln zu verteilen".

Auch verlange die Wirtschaftslage derzeit nicht nach expansiven Maßnahmen, allerdings sollte man sich schon darauf vorbereiten, dass sich die Konjunktur eintrübt. "Man sollte jetzt nicht massiv aufs Gas steigen, aber man sollte das Gaspedal bereithalten", sagt Haber.

Pflege als drängendstes Problem

Dass die Steuerreform nicht kommt, mache hingegen derzeit wenig Unterschied, da die meisten Maßnahmen ohnehin erst ab 2020 wirksam geworden wären und die Maßnahmen in Umsetzung bereits im Budget berücksichtigt seien. "Mit der Steuerreform hätten wir alle Kriterien des Stabilitäts- und Wachstumspaktes eingehalten - ohne Steuerreform verbessert sich der Saldo sogar etwas, weil bestimmte Maßnahmen unterbleiben". Dafür sinke aber die Steuer- und Abgabenquote nicht und auch die kalte Progression bleibe erhalten.

"Persönlich, als Staatsbürger" sieht der Fiskalratspräsident die Pflege als drängendstes Problem, das es zu lösen gelte. Beschlüsse seien wohl erst nach der Wahl mit dem entsprechenden Grundkonsens möglich, aber Vorbereitungen könnten schon getroffen werden. Die Abschaffung des Pflegeregresses vor der Wahl 2017 sei ein sehr gutes Beispiel, welche Probleme durch einen Schnellschuss ohne umfassendes Konzept entstehen, selbst wenn die einzelne Maßnahme inhaltlich vernünftig sein könne: Denn es habe sich durch die Abschaffung eine Finanzierungslücke aufgetan und die Entscheidung, ob sie über Steuergeld oder über eine Pflegeversicherung geschlossen werden soll, sei nach bald zwei Jahren immer noch offen. Offen sei auch noch die inhaltliche Frage, ob man Pflege besser mobil oder stationär organisiert.