Die Wirtschafts- und Finanzminister der Eurogruppe bestimmen heute die Nachfolge ihres Vorsitzenden Mario Centeno. Der portugiesische Minister tritt nach zweieinhalb Jahren ab. Die portugiesische Regierung will den scheidenden Finanzminister und Eurogruppen-Chef als neuen Zentralbank-Chef nominieren. Centeno wird dafür gerühmt, dass er 2019 Portugals ersten Haushaltsüberschuss seit 45 Jahren zustande brachte. 

Um den Posten bewerben sich die Spanierin Nadia Calvino, der Ire Paschal Donohoe, und der Luxemburger Pierre Gramegna. Bei der Sitzung stehen neben der Wahl auch Beratungen über die Umsetzungen der beschlossenen Corona-Krisenhilfe auf der Tagesordnung. Die Staaten hatten im April ein Paket im Umfang von bis zu 540 Milliarden Euro an Krediten für besonders hart getroffene Staaten vereinbart. 

Sie wollen Centeno nachfolgen (von links): Pierre Gramegna, Nadia Calvino und Paschal Donohoe
Sie wollen Centeno nachfolgen (von links): Pierre Gramegna, Nadia Calvino und Paschal Donohoe © AFP

Wer sind die potenziellen Nachfolger?

Spaniens Wirtschaftsministerin und Vize-Regierungschefin Nadia Calvino hat vor ihrem Regierungsamt Erfahrungen in der EU-Kommission gesammelt. Die Wirtschafts- und Rechtswissenschaftlerin und Mutter von vier Kindern war in Brüssel unter anderem Generaldirektorin für Haushaltsplanung. Als Ministerin profilierte sie sich zuletzt in der Debatte um EU-Milliardenpakete in der Corona-Krise.

Die 51-Jährige wäre die erste Frau an der Spitze des einflussreichen Gremiums. Für Calvino spricht zudem, dass sie wie der scheidende Eurogruppenchef Centeno aus einer sozialdemokratischen Partei und aus einem Land im Süden der EU kommt. Ihre Wahl würde somit das komplizierte Gleichgewicht zwischen Nord und Süd und zwischen den politischen Lagern nicht verändern.

Der 45-jährige Politiker der bürgerlichen Partei Fine Gael, Paschal Donohoe, ist seit Juni 2017 Finanzminister seines Landes und war vorher unter anderem Verkehrs- und Europaminister. Donohoes Kandidatur für den Vorsitz der Eurogruppe wird als Zeichen gewertet, dass er auch Finanzminister bleibt.

Der verheiratete Vater zweier Kinder hat einen Abschluss in Politik und Wirtschaft von der University of Dublin. Sein Land war in der Eurokrise zeitweise auf Hilfen der Europartner angewiesen.

Der 62-jährige Liberale Pierre Gramegna bringt von den drei Bewerbern die meiste Regierungserfahrung mit: Seit Dezember 2013 ist er Finanzminister von Luxemburg, das mit einer jahrzehntelang sehr liberalen und umstrittenen Steuerpolitik Investoren aus aller Welt anzog. Der verheiratete Vater zweier Kinder hat unter anderem in Paris Wirtschaft und Recht studiert und war zeitweise Diplomat für sein Land. Er wirbt für sich als Reformpolitiker: Er habe auf einen ausgeglichenen Haushalt hingearbeitet und das luxemburgische Steuerrecht mit internationalen Transparenzregeln in Einklang gebracht.