Sie haben erfolgreich in einer bekannten Unternehmensberatungen gearbeitet und haben sich selbstständig gemacht – wie schwierig war der Wechsel?
BIRGIT HABERL: Es war ein gradueller Prozess. Ich habe mir ein Jahr Auszeit genommen. Mit dem Abstand vom Job verschieben sich die Perspektiven. Ich wusste, mir gefällt Vieles. Die Arbeit mit Kunden, der Gestaltungsspielraum. Aber das System passte nicht mehr zu mir.
Freude, oder Bedenken: Was hat beim Wechsel überwogen?
Ehrlicherweise war der Drang nach dem Neuen und die Freude darauf viel größer als die Bedenken. Zum anderen wusste ich, dass dieses Thema sehr gefragt ist und dass ich langjährige Erfahrung habe und Mehrwert liefern kann. Wesentlich war, dass ich nicht alleine bin, wir sind mit Julia Fessler und Julia Schwarzbauer ein eingespieltes Gründerinnenteam.
Ihr Job hatte vor wenigen Jahren noch einen Exoten-Status . . .
. . . man hat mich anfangs für einen bunten Vogel gehalten . . .
. . . heute gehört ihr Job zu den wichtigsten in der Nachhaltigkeitsplanung. Die EU schreibt allen Firmen ab 250 Mitarbeitern und 40 Millionen Euro Umsatz Nachhaltigkeitsberichte in Sachen Umwelt, Sozial- und Arbeitnehmerbelangen vor. Können Sie kurz beschreiben was Sie tun?
Was macht ein Unternehmen nachhaltig? Wir beraten und begleiten die Unternehmen auf diesem Weg und dabei, diese Berichte zu verfassen. Viele konzentrieren sich darauf, dass sie diese Berichte machen müssen und übersehen den Nutzen. Wo liegen die Risiken, wie wirkt sich der Klimawandel aus? Es gibt fast keine Branche, die nicht betroffen ist. Die Regulatorik, die man erfüllen muss, wäre eine Chance, sich mit dem Ganzen zu beschäftigen und in die Zukunft zu schauen. Damit ein Geschäftsmodell langfristig resilient wird.
Aber das ganze Berichtswesen ist hochkomplex für die Firmen.
Wir sind dazu da diese komplexen Forderungen auf die Praxis und einfach herunterzubrechen. Das ist einer der Gründe, warum es uns gibt. Aber es ist nicht einfach. Der Druck auf die Firmen steigt außerdem: Investoren und Banken fragen immer stärker das Thema Nachhaltigkeit nach, genauso wie um Kunden und Kundinnen. Auf Biegen und Brechen und in aller Eile so einen Bericht zu verfassen, ist nicht empfehlenswert. Das richtet potenziell mehr Schaden an, als es Gutes tut.
Wie können diese Berichte Unternehmen verändern?
Man sieht, dass wir mit unserer Wirtschaft an die Grenzen stoßen und Grenzen überschreiten Deshalb geht es darum Chancen und Risiken anhand des Berichts früh zu erkennen. Welche nachhaltigere Produkte verlangt der Markt? Wenn ich auf Nachhaltigkeit in der Lieferkette schaue, kann ich Risiken minimieren und Kosten einsparen? Wenn ich sehe, dass Ressourcen endlich sind, wann soll ich umsteigen? Es hat mit einer Weitsicht zu tun, die für Unternehmen nur gut sein kann, wenn ich diese Berichte an die EU nicht als Pflichtübung, sondern als Nutzen sehe.
Diese neuen Werkzeuge verändern die Unternehmen, aber auch die Mitarbeiter. Was heißt das für Rekrutierung und Weiterbildung?
In einem Unternehmen ergeben sich viel mehr Schnittstellen. ESG-Berichte (Anm.: ESG, auf Deutsch Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) bricht viele Silos auf. Controlling, Risikomanagement, Qualitätsmanagement, Produktentwicklung, Einkauf, das Nachhaltigkeitsthema fließt in alle Unternehmensbereiche.
Und in Aus- und Weiterbildungen für die Mitarbeiter. Welche würden Sie empfehlen?
Zum Beispiel Nachhaltigkeitsmanagement an der FH Krems, auch die WKO hat mit Incite eine Ausbildung im Programm , oder das Wifi. Wir bieten ebenso Trainings an, aber wir unterscheiden uns mit unserem Unternehmen: Es sind keine Theoriekurse, wir kombinieren alles mit der Umsetzung, samt Arbeitsvorlagen und Analysen.
Welche drei Fragen sollte sich jedes Unternehmen stellen?
Welche Nachhaltigkeitsthemen sind wesentlich? Sonst arbeitet man mit dem Gießkannenprinzip. Zweitens: Wo will ich hin mit dem Wissen aus dem Bericht, was will ich damit erreichen? Und: Wo will man das Berichtsthema ansiedeln? Will ich nur schön kommunizieren, oder will ich etwas bewirken?
Wie reagieren Sie, wenn sie für das so genannte Greenwashing angeheuert werden?
Das sprechen wir direkt an. Wenn sich ein Unternehmen besser darstellt, als es ist, stellen wir kritische Fragen. Für die Unternehmen ist das nicht ungefährlich, falsche Angaben zu machen. In der Öffentlichkeit ist es superpeinlich.
Wie müssen sich Unternehmen neu aufstellen?
Kooperieren und miteinander arbeiten, das bekommt einen ganz anderen Stellenwert. Es geht um Lösungen über die gesamte Wertschöpfungskette und neue Geschäftsmodelle miteinander zu denken und zu erfinden. Wir legen allen ans Herz sich untereinander auszutauschen, wir bauen dazu eine eigene Community auf, damit man untereinander reden kann.
Wie hat der Job Sie verändert? Inzwischen hat er eine gesellschaftspolitische Bedeutung.
Ich mache das jetzt seit über acht Jahren, die Intention war immer die Gleiche. Diese Verantwortung sehe ich schon, das ist auch der Grund, warum ich den Job begonnen habe. Für mich war die Wichtigkeit des Themas immer klar.