Wie überraschend ist das Paket der Regierung gekommen?
Vor ein paar Tage sickerte durch, dass die Regierung alles dransetzen werde, um sich bei der Sondersitzung nicht von der Opposition als Nichtstuer vorführen zu lassen. Auch reifte die bittere Erkenntnis, dass das bereits geschnürte 40-Milliarden (!) schwere Anti-Teuerungspaket  keinen Stimmungsumschwung in der Bevölkerung herbeigeführt hat. Zwar gehen alle Experten von einem Sinken der Inflation im Herbst aus, zwei von drei Menschen liegt die Teuerung schwer im Magen. Politisch wollten bzw. mussten Kanzler und Vizekanzler das Heft in die Hand nehmen.

Also doch keine Überraschung? 
Verhandelt wurde innerhalb der Koalition bereits Anfang des Jahres über die Einführung einer Mietpreisbremse, die Grüne befürworteten eine solche klar. Das damals diskutierte Modell sah eine Aufteilung der Mieterhöhung auf mehrere Jahre vor. Eine Einigung schien bevorzustehen, doch dann forderte die ÖVP im Gegenzug Erleichterungen bei der Grunderwerbssteuer. Beide Vorhaben scheiterten vorerst im März, stattdessen einigte man sich auf einen „Wohnkostenschirm“, mit dem besondere Härtefälle abgefedert werden sollten. Im März nannte Christian Stocker, Generalsekretär der ÖVP, einen Mietpreisdeckel eine „populistische Forderung“.

Warum wurde das Modell knapp vor der Sitzung präsentiert?
Das ist Politik. Man wollte der Opposition thematisch das Wasser abgraben bzw. die Show stehlen.

Was wurde beschlossen?
Wer in einer Wohnung mit einem gesetzlich geregelten Mietverhältnis lebt, darf künftig mit Mieterhöhungen von höchstens fünf Prozent pro Jahr rechnen. Gelten soll die Regelung für drei Jahre. Nicht umfasst sind 425.000 Wohnungen am freien Markt.

Der Mietpreisdeckel gilt nur für „geregelte“ Mietverhältnisse. Wie
viele Mietverträge sind betroffen?
Es ist von mehr als einer Million auszugehen. Der Großteil davon (etwa 700.000) entfällt jedenfalls auf gemeinnützige Mietwohnungen, die man aber nicht alle in einen Topf werfen darf, wie der Wiener Wohnbauforscher Wolfgang Amann erklärt. Siehe Frage 4. Der zweite große Anteil sind etwa 280.000 Richtwert-Wohnungen und 60.000 Kategoriemieten. Hier soll der Mietzins ab 2024 drei Jahre lang nur noch um 5 Prozent angehoben werden dürfen.

Profitieren alle Mieter von gemeinnützigen Wohnungen im vollen Umfang von der Mietpreisbremse?
„Nein“, sagt Wolfgang Amann. Wenn gesagt wird, dass hier durch die Mietpreisbremse 2024 ein Anstieg der Mieten um 15 Prozent verhindert wird, dann betrifft das nur ausfinanzierte gemeinnützige Mietwohnungen, das sind etwa 350.000. Hier wird (abseits des Prinzips der Kostendeckung) eine Grundmiete von 1,95 Euro pro Quadratmeter und Monat verrechnet. Weil dieser Betrag nur alle 2 Jahre valorisiert wird, hätte es 2024 einen Anstieg um etwa 15 Prozent gegeben, der nun verhindert wird. Bei nicht ausbezahlten Wohnungen wird lediglich die Erhöhung des Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrages (EVB), bei neuen Wohnungen sind das 50 Cent pro Quadratmeter und Monat, gedeckelt.

Nehmen wir eine gemeinnützige 60-Quadratmeter-Wohnung als Beispiel: Wie viel ersparen sich Mieter?
Bei einer ausfinanzierten Wohnung fallen 2024 statt 470 Euro Monatsmiete (brutto und kalt) nur mehr 440 Euro an. So die Berechnung von Wolfgang Amann. Ist die Wohnung nicht ausfinanziert, betrage die Ersparnis hingegen nur 10 Euro pro Monat.

Wie beeinflusst die Preisbremse Richtwertmieten?
Statt einer Erhöhung um 7 bis 8 Prozent wird es 2024 nur eine Steigerung um 5 Prozent geben.

Was sagen Ökonomen?
„Chapeau“ twitterte Wifo-Chef Gabriel Felbermayr via „X“, als die Pläne durchsickerten. Er sieht die ÖVP-Wende als ausgesprochen bemerkenswert an. „Das muss man der ÖVP hoch anrechnen. Seine politische Position zu räumen, das ist keine Kleinigkeit.“ Der Mietpreisdeckel werde die Inflation senken, nicht schnell um viele Zehntelprozentpunkte, "aber er ist ein Schritt in die richtige Richtung", so Felbermayr im Gespräch mit der Kleinen Zeitung. "Die Angst, dass bald noch einmal zweistellige Mieterhöhungen auf viele Mieter zukommen, die ist effektiv aus der Welt geräumt." Die Kritik von vielen Seiten nach dem Motto „zu wenig, zu spät“ teilt Felbermayr nur bedingt, auch wenn er sich die Maßnahme bereits im März gewünscht hätte.