Die EU-Staaten haben einer Regelung zugestimmt, die für mehr Frauen an der Spitze börsennotierter Unternehmen in der Europäischen Union sorgen soll. Damit bestätigten sie am Montag einen Kompromiss, den Unterhändler der EU-Staaten und des Europaparlaments zuletzt nach jahrelanger Blockade erzielt hatten.

"Die positiven Auswirkungen der Maßnahmen werden sicherlich auf allen Ebenen der Volkswirtschaften spürbar sein", sagte der tschechische Arbeitsminister Marian Jurečka am Montag, dessen Land derzeit den rotierenden Vorsitz der EU-Staaten innehat.

Zwei Modelle

Konkret sollen die Staaten ab 2026 zwischen zwei Modellen wählen können. Entweder sollen bis dahin mindestens 40 Prozent der Mitglieder von Aufsichtsräten Frauen sein, wie aus einer Mitteilung der tschechischen EU-Ratspräsidentschaft hervorgeht. Oder: "Wenn Mitgliedstaaten sich dafür entscheiden, die neuen Vorschriften sowohl auf geschäftsführende als auch auf nicht geschäftsführende Direktoren anzuwenden, würde das Ziel 33 Prozent aller Direktorenpositionen bis 2026 betragen."

Das Vorhaben ist geschlechtsneutral. Säßen in einem entsprechenden Gremium also deutlich mehr Frauen als Männer, würden auch Männer von der Regelung profitieren. Formell muss auch das Europaparlament der Einigung noch einmal zustimmen, was als Formalie gilt.

Maßgeblich für die Einigung auf EU-Ebene war auch der Regierungswechsel in Deutschland. Unter Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) stand Deutschland einer Einigung noch im Weg. Die EU-Kommission hatte die neuen Regeln bereits vor rund zehn Jahren vorgeschlagen.

Quote wirkt

In Österreich gibt es seit 2017 eine verbindliche Frauenquote von mindestens 30 Prozent in den Aufsichtsratsgremien großer und börsennotierter Unternehmen. Laut dem "Frauen.Management.Report" der Arbeiterkammer (AK), der zu Jahresbeginn erschienen ist, hat sich der Anteil der Frauen in den Aufsichtsräten quotenpflichtiger, börsennotierter Unternehmen seit 2018 von 22,4 auf 35,1 Prozent erhöht. Bei keiner Pflicht unterliegenden Firmen lag der Anteil 2021 hingegen nur bei 18 Prozent. In staatsnahen Unternehmen lag der Anteil der weiblichen Aufsichtsratsmitglieder bei knapp 47 Prozent. Dort gilt allerdings auch eine gesetzlich vorgegebene Quote von 50 Prozent.

Im Gegensatz dazu sind Frauen in Vorständen börsennotierter Unternehmen noch spärlich gesät. Hier lag der Frauenanteil bei acht Prozent, bei den 20 Firmen im Leitindex ATX sogar nur bei 6,9 Prozent. Fast jedes fünfte Unternehmen an der Börse habe überhaupt keine Frauen in der Chefetage.

In Deutschland lag der Frauenanteil in den Führungsgremien der 160 Firmen der Dax-Familie sowie weiterer 23 im regulierten Markt notierter, paritätisch mitbestimmter Unternehmen Ende April bei 14,7 Prozent, wie aus dem aktuellen "Women-on-Board-Index" (WoB/Frauen-im-Vorstand) der Organisation "Frauen in die Aufsichtsräte" (Fidar) hervorgeht. In Aufsichtsräten lag der Wert bei 33,5 Prozent. Hier schreibt ein seit 2015 geltendes Gesetz eine Quote von 30 Prozent für die rund 100 größten börsennotierten und mitbestimmungspflichtigen Unternehmen vor.