Die Finanzmarktaufsicht (FMA) beobachtet den Boom am Immobilienmarkt mit Sorge und will im kommenden Jahr Mindeststandards für die Vergabe von Wohnbaukrediten erlassen. Die derzeitige Vergabepraxis sei zu locker, sagte FMA-Vorstand Helmut Ettl am Donnerstag. Das berge Risiken für die Finanzmarktstabilität. Eine voll ausgewachsene Immobilienblase sieht die FMA aber noch nicht.

„Wir glauben nicht, dass es bereits eine Blase gibt, die sich schon voll aufgeblasen hat, allerdings sehen wir hier Entwicklungen, die über das bisher bekannte in Österreich hinausgehen“, sagte FMA-Vorstand Ettl bei der Pressekonferenz zu den Aufsichtsschwerpunkten 2022. „Diese außergewöhnlichen Entwicklungen fordern auch außergewöhnliche Schritte.“ Vor einigen Tagen hat bereits das Finanzmarktstabilitätsgremium (FMSG) vor den Risiken am Immobilienkreditmarkt gewarnt und den Wunsch nach Maßnahmen geäußert.

Anzahl der Kredite steigt rasant

Seit 2007 haben sich die Preise für Wohnimmobilien in Österreich verdoppelt (plus 99 Prozent), führte Ettl weiter aus. In Wien liege der Anstieg sogar bei 140 Prozent. Der Anstieg sei vor allem kreditgetrieben, seit Mitte 2020 sei die Zahl der Wohnbaukredite um 18 Prozent auf 94.000 gestiegen. Noch steiler ging es beim Kreditvolumen bergauf, das um 37 Prozent auf 16,9 Milliarden Euro zulegte.

Bereits seit 2011 beobachte man das starke Wachstum am Wohnimmobilienmarkt. Das schon lange anhaltende Niedrigzinsumfeld mache Kredite so billig wie noch nie. Für einen variabel verzinsten Kredit lägen die Zinsen derzeit bei rund einem Prozent. Bei zehn Jahren Fix-Verzinsung liegt der Zinssatz bei durchschnittlich 1,35 Prozent.

Gleichzeitig seien die Standards bei der Vergabe von Wohnkrediten nicht streng genug. So habe jeder zehnte Kredit eine Laufzeit von mehr als 35 Jahren. Zudem liege bei zwei von zehn Krediten die Rückzahlungsrate über 40 Prozent des verfügbaren Netto-Familieneinkommens, bei sechs von zehn Krediten liege der Eigenmittelanteil unter 20 Prozent. 40 Prozent des Kreditvolumens seien noch variabel verzinst.

Eigenmittelanteil bei mindestens 20 Prozent

In der variablen Verzinsung liegt ein großer Teil des Risikos, wie Ettl mit einem Rechenbeispiel verdeutlicht. Denn bei einem variable verzinsten Kredit sind im Monat zwar um 31 Euro weniger zu zahlen als bei einem fix verzinsten Kredit. Allerdings gilt dies unter der Annahme, dass die Zinsen für 20 Jahre gleich bleiben. Sollten die Zinsen jedoch wieder anziehen und auf das Niveau von vor der Finanzkrise steigen, müsse bei variabler Verzinsung monatlich um 358 Euro mehr bezahlt werden. Das entspricht einer Steigerung der monatlichen Belastung um 39 Prozent. Auf die gesamte Laufzeit berechnet wären das Mehrkosten von 77.324 Euro.

Dieser Entwicklung müsse nun gegengesteuert werden, daher werde die FMA – voraussichtlich Mitte des kommenden Jahres – verbindliche Mindeststandards für die Kreditvergabe erlassen, so Ettl. Verordnet werden soll dann ein Eigenmittelanteil von mindestens 20 Prozent, ein Schuldendienst von maximal 30 bis 40 Prozent des monatlich verfügbaren Nettoeinkommens sowie eine maximale Kreditlaufzeit von 35 Jahren.